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Gastbeitrag: Überfahrt von Gibraltar zu den Kanaren

08.12.22 – 11.01.23

Am 8.12. erreiche ich, Katja, La Linea, eine Stadt nördlich von Gibraltar. Mein Plan ist es, mit einem Boot von hier auf die Kanaren zu trampen. Vor einer Woche war ich schon mal hier. In diesem Hafen gibt es eine große Community von Menschen, die nach einem Boot suchen. Ich freue mich schon sehr sie alle wiederzusehen und bin gespannt, wer überhaupt noch da ist oder wer evtl. schon ein Boot gefunden hat und davongesegelt ist. Am Abend regnet es extrem und ein paar Hitchhiker und ich gehen zu Momos Boot, um dort im Trockenen essen zu können. Momo hat sich ein eigenes Boot gekauft, das jetzt refitted wird. Es ist ein guter Treffpunkt für die Hitchhiker. Als wir von Bord gehen, lerne ich Elias und Jan Moritz kennen, die gerade auf dem Weg sind, Momo zu besuchen. Wir kommen kurz ins Quatschen und beschließen unseren Plausch zu verlegen, da es immer noch stark regnet. Morgen Abend sind ein paar Hitchhiker und ich bei der Amelija zum Essen eingeladen.

09.12.

Heute Abend sehe ich die Amelija zum ersten Mal. Ein sehr sympathisches Schiff. Jetzt lerne ich auch Jan kennen. Jan Moritz und Elias haben extra Apfelkuchen gebacken. Den verzehren wir genüsslich, dann fangen wir an zu kochen. Der Saloon ist voll, aber es ist sehr gemütlich. Weil wir uns alle so gut verstehen, verabreden wir uns gleich für den nächsten Tag. Wir wollen eine Sonnenaufgangs-Wanderung auf den Berg von Gibraltar machen.

10.12.

Ein Affe auf dem Affenfelsen
Ein Affe auf dem Affenfelsen

Um 5:00 Uhr morgens klingelt der Wecker. Wir treffen uns im Hafen und los geht‘s. Erstmal nach Gibraltar über die Grenze und zum Fuß des Berges. Dann geht‘s bergauf. Es ist noch stockdunkel und wir haben einen sehr schönen Blick über die Bucht von Gibraltar. Alle Schiffe und Häuser um die Bucht leuchten. Wir erreichen pünktlich zum Sonnenaufgang die Spitze des Berges. Jan Moritz überlegt, seine Drohne fliegen zu lassen. Er hat allerdings Angst, dass die Affen, die hier auf dem Berg wohnen, die Drohne klauen, sobald sie wieder gelandet ist. Trotzdem versucht er es. Die Drohne darf hier wegen dem Flughafen allerdings nicht starten. Glück gehabt! 

Nach Sonnenaufgang laufen wir noch ein bisschen am Berg herum, beobachten die Affen und genießen die Aussicht. Wir wollen über die Mediterranen Stepps wieder nach unten gehen. Unten angekommen laufen wir noch zum Point of Europe. Von da aus geht’s wieder zurück nach La Linea. Am Abend sind wir wieder auf der Amelija zum Vespern verabredet.

11.12.

Am nächsten Morgen hole ich Jan T., ein anderer Hitchhiker, bei der Amelija ab. Irgendwie haben wir uns hier schon ziemlich eingenistet. Die Jungs sind aber alle superlieb und gastfreundlich!!!

Am Abend treffen wir uns in der Stadt, um eine leckere Ofenkartoffel von einer Fressbude zu essen. Drei Kartoffeln reichen für alle von uns, da sie so riesig sind. Lena (auch eine Hitchhikerin) hat vorgeschlagen einen Ausflug nach Algeciras zu machen. Dort soll es eine großartige Wanderung zu einem Wasserfall geben. Alle sind sofort begeistert. Wir überlegen mit dem Bus hinzufahren. Dann stellen wir aber fest, dass es teurer ist, wenn wir uns alle ein Busticket kaufen, als einfach mit der Amelija rüberzuschippern und dort eine Nacht im Hafen zu verbringen. So steht der Plan für den nächsten Tag.

12.12.

Um 9:00 Uhr treffen wir uns zum Frühstück an Bord. Den Ausflug heute wollen wir zu acht machen. Die drei Jungs und noch fünf Hitchhiker. Momo ist zum Frühstück auch noch zu Besuch. Nach dem Essen wird nochmal klar Schiff gemacht, dann wird abgelegt. Wir kreuzen über die Bucht und sehen sogar ein paar Delfine, die neben Amelija herschwimmen. Gegen frühen Nachmittag sind wir im Hafen angekommen. Den Schlüssel für die Stege bekommen wir heute nicht. Wir sollen einfach vor 19:00 Uhr wieder da sein, dann wird uns jemand aufmachen.

Jan springt über den Bach auf der Wanderung in Algeciras
Jan springt über den Bach auf der Wanderung in Algeciras

Dann geht‘s los zur Wanderung. Erstmal laufen wir eine Stunde durch die Stadt. Wir kommen an Wildorangen-Bäumen vorbei und probieren sie. Ganz schön sauer. Aber sauer macht lustig!! Dann kommen wir endlich auf einen Pfad, mitten durch die Natur. Der Weg ist zum Teil mit Wasser überspült. Also entweder durchlaufen oder einen anderen Weg finden. Wir versuchen über die großen Steine zu balancieren, die im Wasser liegen. Es fängt an zu regnen und der Weg wird immer matschiger. Wir laufen durch den Wald, an einem Bach vorbei und über große Felsen. Jan und Elias machen ein Happyness Ranking. Ich liege auf Platz zwei der Gruppe 😉 Im Hafen angekommen merken wir, dass es weit nach 19:00 Uhr ist. Wir kommen nicht mehr auf den Steg. Elias und Jan fragen mal nach. Entweder müssen wir bis Mitternacht warten, bis die Security kommt, um uns aufzumachen oder wir müssen von innen die Klingel betätigen. Wir dürfen aber nicht über den Zaun klettern. So ein Mist! Wir sind hungrig und müde und wollen nur noch zur Amelija und nicht mehr so lange warten. Also suchen wir uns einen Weg, wie wir von außen klingeln können. Wir nutzen eine Trinkflasche als Verlängerung und kommen damit von außen sogar an die Klingel ran. Es hat funktioniert. Als wir am Boot ankommen, ist es echt schon sehr spät. Trotzdem hat Serkan noch Lust zu kochen. Wir helfen alle zusammen. Es wird viel Gemüse geschnippelt, aus dem wir eine leckere Suppe mit Couscous und Salat machen. Ich gehe nach dem Essen ins Cockpit und ruhe mich ein bisschen aus. Die anderen sitzen noch bis 4:00 Uhr im Salon und quatschen miteinander. Dann weckt mich Jan, das ich von der Cockpit Bank auf das Bett im Saloon wechseln kann. Elias und Lena schlafen in der Bugkabine. Jan und Jan Moritz wie gewohnt in der Achterkabine und wir anderen schlafen zu viert im Saloon auf den Bänken und dem Boden.

Gruppenbild auf der Wanderung bei Algeciras
Gruppenbild auf der Wanderung bei Algeciras

13.12.

Am Morgen geht Jan Moritz nochmal zum Hafen. Als er erzählt, dass wir zu acht auf dem Boot geschlafen haben, wird er nur angelacht und gefragt, ob wir dort wie Dosensardinen geschlafen haben. Zum Frühstück gibt es leckeren Obstsalat und dann wird zurückgesegelt. Die Wellen sind groß und der Wind sehr stark. Als wir in La Linea wieder im Hafen anlegen wollen und bereits rückwärts im Standgas eingekuppelt haben, haben wir trotzdem noch 4 kt Speed drauf, weil der Wind uns so von hinten schiebt. Die Jungs sind aber schon so ein eingespieltes Team, dass das gar kein Problem für sie ist und sie das problemlos meistern. Dort angekommen ruhen wir uns erst mal aus.

Der Blick vom Mast auf de Amelija als ich (Katja) das Anemometer repariere
Der Blick vom Mast auf die Amelija als ich (Katja) das Anemometer repariere

14.12. – 16.12.

In den nächsten Tagen werden die ToDos der Liste abgearbeitet. Das Anemometer wird repariert, das AIS, sowie das Anemometer auf dem Mast und noch vieles mehr. Am 16.12. findet abends ein Treffen der deutschen Skipper im Hafen statt. Dort wird besprochen, wie es wettertechnisch aussieht, da alle inzwischen ziemlich deprimiert sind, weil sie zum Teil schon seit drei Wochen in La Linea festsitzen und auf das passende Wetterfenster warten. In dem Treffen werden die klugen Köpfe zusammengesteckt und festgestellt, dass es in den nächsten Tagen ein relativ gutes Wetterfenster gibt. Es wird viel motort werden müssen, aber es würde zumindest gehen. Die drei Jungs setzen sich nach dem Treffen nochmal separat zusammen und entscheiden mit den anderen als Flottille zusammen zu segeln. Abends um 23:00 Uhr bekomme ich einen Anruf von Jan, der mir erzählt, dass sie morgen den Hafen verlassen und ob ich mitkommen möchte. Ich freue mich wahnsinnig über diese Nachricht und sage sofort: Ja! Dann mache ich mich schnell auf den Weg zur Amelija. Es werden letzte Details besprochen und Aufgaben für den nächsten Tag verteilt. Morgen um 11:00 Uhr legen wir ab.

17.12. – erster Tag der Überfahrt

8:00 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Jan Moritz kümmert sich um das Satellitentelefon. Ich gehe nochmal Wäsche waschen. Jan und Elias machen das Schiff startklar. Wir kaufen noch schnell ein und dann legen wir ab. Leinen los! Zuerst fahren wir nochmal zur Tankstelle von Gibraltar, weil da der Diesel günstiger ist. Wir hoffen, an der Tankstelle noch Kanister kaufen zu können, da der Wind ja nicht allzu vielversprechend ist und wir davon ausgehen, viel Diesel zu benötigen. Leider hat die Tankstelle keine mehr. Jan Moritz ruft alle möglichen Anlaufstellen hier in der Nähe an, aber keine kann uns weiterhelfen. Wir müssen uns entscheiden! Fahren wir jetzt mit der Flottille und den passenden Strömungen in der Straße von Gibraltar oder suchen wir noch nach Kanistern? Wir entscheiden uns dazu, mit den anderen zu fahren. Zur Not können wir noch in Marokko anhalten und tanken gehen. Los geht‘s. Mit vielen weiteren Booten verlassen wir die Bucht von Gibraltar in Richtung Atlantik unter Motor. Links von uns sehen wir Afrika, rechts von uns Europa! Sehr schöner Anblick.

Sonnenuntergang bei der Ausfahrt aus der Straße von Gibraltar- links im Bild sieht man Marokko
Sonnenuntergang bei der Ausfahrt aus der Straße von Gibraltar – links im Bild sieht man Marokko

Es werden noch die letzen paar ToDos erledigt, solange wir noch Internet haben. Nach ein paar Stunden bricht auch schon die Dunkelheit ein. Die Jungs überlegen, wie heute die Nachtschichten verteilt werden. Ich soll heute noch keine übernehmen und Jan ist krank. Also müssen Elias und Jan Moritz da heute allein durch. Bei der ersten Schicht von Elias bleibe ich noch eine Weile dabei und schau mir das mal an, was zu tun ist. Ganz schön aufregend die erste Schicht. Vor uns blinken auf einmal ein paar Lichter. Über Funk erfahren wir von den anderen Booten, dass es Fischernetze sind und wir das linke Licht steuerbordseitig liegen lassen können, sodass uns nichts passiert. Sobald wir dran vorbeigefahren sind, sind wir erstmal erleichtert und genießen die Aussicht auf die leuchtenden Lichter von Marokko und den Sternenhimmel. Nach einer Weile gehe ich ins Bett und lasse Elias mit seiner Nachtschicht alleine.

18.12. – zweiter Tag der Überfahrt

Nach dem Aufstehen sehe ich nur Wasser rundum. Nichts anderes ist mehr zu sehen! Keine Schiffe, kein Land, nichts…! Aber wir können endlich segeln! Jan Moritz hat die Segel bereits gesetzt. Sehr schön! Nach einer Weile sitzen wir wieder in einer Flaute und schmeißen den Motor an. Dann müssen wir uns langsam mal entscheiden, ob wir noch nach Marokko zum Tanken fahren oder nicht. Wir beschließen, dass wir auf jeden Fall auf der sicheren Seite wären, wenn wir es machen. Es wird uns zwar etwas Zeit kosten aber was soll’s, die haben wir ja. Elias nimmt Kontakt zu seinen Eltern auf um zu fragen, welcher Ort sich dafür am besten eignet. Sie geben uns den Tipp mit Mohamedia und so wird’s gemacht. Kurs auf Marokko. Laut Navigation sollen wir um 3:00 Uhr nachts ankommen. Jetzt haben wir guten Wind um dorthin zu segeln. Ich übernehme die erste Nachtschicht, in der Hoffnung noch weit genug vom Land weg zu sein, dass wir keinem Fischernetz begegnen. Heute Nacht bin ich noch unsicher wegen Kleinigkeiten, aber das wird in den nächsten Nächten bestimmt besser.

Fischerboote im Hafen von Mohammedia
Fischerboote im Hafen von Mohammedia

19.12. – dritter Tag der Überfahrt

Als ich aufwache liegen wir vor Anker in Marokko. Nachdem wir keine Antwort vom Hafen bekommen haben, nach mehrfachem Anfunken und wir ein Segelboot aus dem Hafen rausfahren sehen, beschließen wir einfach reinzufahren. Nach dem Anlegen müssen wir erstmal einklarieren. Das Boot wird kontrolliert und Jan Moritz Drohne wird kurzzeitig beschlagnahmt. Die Menschen dort sind aber alle superlieb! Sie fahren Jan Moritz und Elias durch die halbe Stadt, um Kanister zu kaufen und schenken uns zum Abschied ein paar süße Teilchen. Als wir wieder wegfahren, schenken wir ihnen noch eine Flasche Schnaps und los geht‘s. Kurs zu den Kanaren. Es ist Flaute, kein bisschen Wind und der Atlantik spiegelglatt. Wir müssen motoren. Ich sitze bei Sonnenuntergang am Steuer und übernehme gleich Jan Moritz Nachtschicht, da er krank ist. Heute Nacht gibt es nur ein paar Schiffe, die ich über das AIS-System beobachte.

20.12. – vierter Tag der Überfahrt

Früh morgens zum Sonnenaufgang bin ich wieder an der Reihe mit der Schicht. Als Jan Moritz aufwacht und die Nase aus der Achterkabine hält, sagt er nur: „Oh, Wind! Wir können die Segel setzen!” Los geht’s! Er zeigt mir wie es geht und nach ein paar Minuten segeln wir schon im Am-Wind-Kurs mit großer Krängung in Richtung offener Atlantik. Kein Land mehr in Sicht.

Elias und Katja im Cockpit

Nach einer Weile komme ich auf die Idee etwas zu kochen. Curry hört sich gut an, finde ich. Also gehe ich runter und fange an zu schnibbeln. Bei dem Wellengang und der Krängung fühle ich mich so träge und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis alles geschnitten ist. Der Herd schwankt sehr stark, mit einer Pfanne und dem Reis Topf darauf. Jan Moritz meint nur, dass er hofft, dass es keinen Unfall gibt. Ich dachte mir naiv, was soll denn schon passieren. Nach kurzer Zeit landet der Topf mit Reis am Boden. Da war der Wellengang wohl doch zu stark. Wir verschieben das Kochen auf später, wenn es ruhiger ist oder wir in einem anderen Kurs fahren. Jetzt gibt es erstmals Brot. Elias und Jan Moritz checken das Wetter und überlegen, welche Route wir am besten fahren. Wir haben zur Auswahl, jetzt gleich die Wende zu fahren, dadurch würden wir wieder nah zum Land kommen, wodurch wir in besseren Wind gelangen, wir wollen in unseren Schichten aber nicht wieder auf Fischernetze treffen, was in Landnähe wahrscheinlicher ist als weiter draußen. Wenn wir die Wende später machen, ist der Wind nicht perfekt, aber wir hoffen das Beste. In Funkreichweite befindet sich die Niente Scuse, da sie kein Satellitentelefon an Bord hat und somit keine Wetterdaten abrufen kann, liefern die Jungs dem anderen Boot, alles was sie wissen müssen. Bei Sonnenuntergang machen wir die Wende. Leider ist nicht so viel Wind wie erhofft. Wir segeln mit 3 kn. Jan übernimmt die erste Nachtschicht. Ganz schön viel los. Ich schlafe im Saloon und bekomme alles mit. Wir werden angefunkt, dass unsere Lichter nicht funktionieren würden und wir uns in der Nähe von Fischernetzen befinden. Nach ein paar Stunden langsamen Segelns, entscheiden wir, den Motor anzumachen, um noch in die Nähe der Untiefe zu kommen, wo ab morgen Vormittag der achterliche Wind auffrischen soll.

21.12. – fünfter Tag der Überfahrt

Am Morgen haben wir immer noch Flaute – spiegelglattes Wasser. Doch da ist eine Schaumkrone, aber was ist das? Wir sehen noch eine und merken, dass es Delfine sind, die auf uns zuschwimmen, richtig viele am Bugkorb. Einige von ihnen springen sogar, sie sind sehr schnell und es sieht magisch aus.

Eine Delfinschule begleitet uns auf dem Atlantik

Elias und Jan Moritz bereiten den Gennaker vor, für den Rückenwind, den wir später erwarten. Dann beschließen wir, kurz anzuhalten und baden zu gehen. Mitten im Atlantik, rundrum ist nichts außer Wasser zu sehen. Das Wasser ist tiefblau! Einfach wunderschön!! (Natürlich haben wir eine Sicherungsleine im Wasser und es bleibt auch immer mindestens eine Person an Bord 😉). Dann machen wir uns wieder auf den Weg und wir können nach ein paar Stunden sogar den Gennaker setzen. Zum Sonnenuntergang sitzen wir alle auf dem Vordeck in den Sitzsäcken, genießen den Moment und freuen uns auf eine ruhige bevorstehende Nacht ohne Motorgeräusche. Ich habe die dritte Schicht heute Nacht und da merke ich, dass der Windpilot sehr träge ist und das Segel nur richtig steht, wenn wir Kurs Richtung Nord-West nehmen. Das verunsichert mich etwas, denn wir wollen ja in den Süden. Ich wecke Jan Moritz und wir machen eine Halse. Dazu muss der Gennacker erstmal wieder in den Sack geholt werden und die Schot auf die andere Seite verlegt werden. Ganz schön aufwendig und es ist immer noch stockdunkel. Jan Moritz merkt, dass die vordere Leine des Gennakers fast durchgeschabt ist und beschließt, diese erst bei Tageslicht zu richten. Und schon sind wir wieder auf dem richtigen Kurs. Er bemerkte, dass der Windpilot komplett ausgehängt war und gar nicht funktionierte. Da es jetzt mitten in der Nacht zu kompliziert ist, den Windpiloten neu einzustellen, steuere ich für ein paar Stunden per Hand.

Jan Moritz und Katja an Deck

22.12. – sechster Tag der Überfahrt

Heute können wir endlich den ganzen Tag durchsegeln. Elias packt die Angel aus und schmeißt sie achteraus ins Wasser. Nach einer Weile klingelt sie sogar, als er sich gerade schlafen gelegt hat. Elias springt auf, zieht die Weste an und läuft zur Angel. Jan hilft ihm und Jan Moritz macht die Schot des Gennakers auf, um den Druck aus den Segeln und somit die Fahrt aus dem Boot zu nehmen. Der Fisch ist an Bord. Er wird von der Angel genommen und mit einem Schlag betäubt. Die Jungs sind kurz unaufmerksam und schon ist der Fisch aus Versehen wieder über Bord gegangen. Moritz sagt nur trocken: „Profis am Werk.“ Ich muss Lachen, aber die Stimmung bei den Jungs ist etwas gedrückt. Die Angel wird wieder ausgeworfen und nach einer Weile beißt zum Glück wieder einer an, dass die Stimmung etwas hebt. Dieses Mal bleibt der Fisch an Bord. Bald haben wir die 100 NM bis Lanzarote erreicht. Jan Moritz kann es kaum erwarten, da er über PredictWind einen Post machen möchte und als ich ihm etwas erzählen möchte, schreckt er auf, freut sich und fragt, sind wir drübergefahren? Am Abend überlegen wir, ob wir über die Untiefe fahren können oder ob die Wellen dort zu hoch werden könnten. Es ist zwar immerhin noch 175m dort tief, von zuvor über 2000m ist es aber dennoch eine steiler Anstieg. Wir entscheiden uns drüberzufahren, da wir auf dem AIS ein anderes Segelboot sehen, dass auch einfach drübergefahren ist. Die Nacht verläuft ruhig, wir genießen den Sternenhimmel und das leuchtende Plankton im Meer.

23.12. – siebter Tag der Überfahrt

Nach dem Aufstehen sehen wir zum ersten Mal seit ein paar Tagen endlich wieder Land: Lanzarote ist in Sicht. Wir genießen die letzten paar Segelstunden. Unser Ziel heute ist eine Ankerbucht bei La Graciosa, eine kleine Insel im Nordwesten Lanzarotes. Elias hat die Schicht in den letzten paar Seemeilen. Als wir die Ankerbucht ansteuern und es darum geht, einen Ankerplatz zu finden etc. wäre eigentlich Schichtwechsel angesagt. Jan ist an der Reihe. Er machte sich einen Spaß draus und meinte, dass wir ja jetzt in einer anderen Zeitzone sind und die Uhr vorgestellt wird. Also wäre es noch Elias Schicht. Die beiden diskutieren spaßeshalber noch darum und die Borduhr wird auch ein paar Mal vor- und zurückgestellt, bis Jan nachgibt und ans Steuer geht. Sobald der Anker fallen gelassen ist, wird das Dinghy aufgebaut und Elias fährt zu seinen Eltern, die bereits aufgeregt am Strand warten. Er verbringt heute den Abend bei ihnen an Land.

Sonnenuntergang vor La Graciosa

24.12.

Weihnachtsmorgen in der Ankerbucht von La Graciosa! Könnte nicht schöner sein! Ich springe nach dem Aufstehen erstmal ins Wasser, dann geht’s auch schon los. Wir wollen Weihnachten in der Marina in Arrecife mit den anderen Segelbooten aus der Flottille verbringen. Dazu holen wir Elias und seine Eltern auf der Insel ab und fahren an der Ostseite von Lanzarote weiter Richtung Süden. Auf dem Weg halten wir nochmal kurz im Puerto Orzola an, um die Familie von Jan Moritz mit an Bord zu holen. Unter Motor fahren wir nach Arrecife. Die Amelija liegt zwischen Riesenyachten und Racingbooten. Elias Eltern geben in der Küche Vollgas und bereiten Tortillas und Paella für die Stegparty heute Abend vor. Nach Sonnenuntergang machen wir uns auf den Weg zu Steg J. Die ganze Flottille ist da. Jeder hat etwas mitgebracht und auf der Dilly-Dally wird sogar gegrillt :D. In kurzer Hose und barfuß am Steg Weihnachtsmusik zu hören, fühlt sich auch ein bisschen verrückt an. Aber es war ein sehr schöner Abend und für mich auch echt toll, die Gesichter zu den Funkstimmen der Überfahrt zu sehen und ein paar andere Hitchhiker, die ich in La Linea schon kennengelernt habe, waren auch dabei.

Gemütliches Beisammensein unter den Lamgfahrtseglern an Steg J
Gemütliches Beisammensein unter den Lamgfahrtseglern an Steg J

25.12.22. – 03.01.23

Elias und Jan Moritz verbringen ein paar schöne Tage mit ihren Familien auf Lanzarote. Jan und ich halten die Stellung auf der Amelija :D. Wir machen ein paar kleine Ausflüge, gehen Wandern, Surfen, Baden und machen die Stadt unsicher. An Silvester kommen wir wieder alle auf dem Boot zusammen und stoßen um Mitternacht an, dann machen Jan, Elias und ich uns mit den Klappfahrrädern 9 km auf dem Weg zu einer Hausparty, zu der uns Momo eingeladen hat. Momos Boot hat es inzwischen auch nach Lanzarote geschafft und wir sind sehr happy, die Crew wiederzusehen. Wir warten noch ein paar Tage auf den passenden Wind, bevor wir uns auf den Weg nach La Gomera machen. Jan hat dort seine SBF See Praxisprüfung, daher ist die Insel nochmal als Zwischenziel eingeplant.

03.01.

Traumhafte Segelbedingungen!

Um 9:00 Uhr morgens heißt es: „Leinen los aus Arrecife.“ Dieses Mal sind wir zu sechst an Bord. Elias Eltern kommen mit, ich bin gespannt auf die Überfahrt. Direkt nach der Hafenausfahrt können wir die Segel setzen. Die Wellen sind hoch, aber der Wind kommt aus der perfekten Richtung. Da der Windpilot momentan nicht funktioniert, werden die nächsten 200 NM per Hand gesteuert. Zum Glück sind wir so viele Personen an Bord. Wir segeln zwischen Lanzarote und Fuerteventura durch, hier bin ich am Steuer. Wegen den Wellen muss ich mich mit meinen Beinen immer wieder am Steuerstand festklemmen und Markus (Elias Papa) macht sich extra die Mühe, für alle etwas zu kochen. Ich weiß ja, wie schwierig es bei so einem Wellengang ist. Aber er schafft es und das Essen schmeckt sehr gut! Ich genieße die Fahrt und die Zeit mit den anderen. Elias wird von Jan auf den Arm genommen, weil er zum Orangenschälen ein Messer benutzt. Markus lacht und meint, dass er das kann. Von nun an heißt es immer, wenn jemand eine Orange essen möchte, „Ach Markus, zeig uns doch nochmal, wie das geht!“ Wir haben 5 kg Orangen an Bord 😉. Jetzt werden die Schichten aufgeteilt. Zum Glück sind wir so viele Menschen, da das Steuern per Hand ohne Windpiloten echt anstrengend wird. Wir haben uns auf 2 h Schichten geeinigt. Heute Nacht mache ich kein Auge zu, die Wellen sind so hoch und es kommt alle halbe Stunde ein Funkspruch rein. Um 3:45 Uhr klingelt der Wecker. Ich bin an der Reihe. Elias hatte die Schicht vor mir und bleibt noch eine Weile bei mir, weil das Steuern heute sehr anspruchsvoll ist und wir auf keinen Fall eine Patenthalse fahren dürfen. Ich klemme mich wieder am Steuerstand fest und warte sehnsüchtig darauf, dass Jan aufsteht und übernimmt. Als er endlich wach ist, springt Jan Moritz kurz aufs Klo und wir meinen, wenn du schon mal wach bist, könnten wir ja jetzt auch gleich die Halse fahren. Jan Moritz hat immer das Glück solche Manöver mitten in der Nacht mitmachen zu müssen. Danach lege ich mich erstmal wieder schlafen.

04.01.

Abendliches Segeln mit Blick auf den Teide auf Teneriffa

Heute verbringe ich die meiste Zeit damit, im Sitzsack auf dem Deck meinen Schlaf der letzten Nacht nachzuholen. Am Nachmittag bekomme ich Hunger und will eigentlich nur ein Käsebrot machen. Ich frage, ob sonst noch jemand Hunger hat. Elias meint, ja und ich könnte ja die Zucchini und Aubergine etc. verarbeiten. Na, dann wird eben doch gekocht 😉. Diesmal alles nacheinander und die Töpfe und Pfannen werden auf dem Herd immer festgehalten, damit nicht wieder das halbe Essen am Boden landet. Nach dem Essen entscheiden wir die Nacht in Teneriffa vor Anker zu verbringen, da Jan seekrank ist, der Wind morgen nach La Gomera besser sein soll als heute Nacht und weil wir so alle gut schlafen können ohne Nachtschichten machen zu müssen. Wir nehmen Kurs auf die Ankerbucht und erreichen sie bei Dunkelheit. Nach zwei gescheiterten Ankerversuchen entscheiden wir doch in den Hafen zu fahren. Der nächste Hafen, der einen Platz frei hat, ist 3 NM wieder zurück in die falsche Richtung und wir motoren dorthin. Kurz nach der Ankunft fallen wir auch schon alle in unsere Kojen und schlummern sehr gut.

05.01.

Jan Moritz, Katja und Jan auf dem Vordeck mit unserem Ziel La Gomera im Hintergrund
Jan Moritz, Katja und Jan auf dem Vordeck mit unserem Ziel La Gomera im Hintergrund

Die Amelija wird nochmal mit Wasser betankt und startklar gemacht. Markus und ich machen Rätselraten, woher die anderen Schiffe kommen, die den Hafen jetzt verlassen, ohne vorher auf die Nationalflagge zu schauen. Wir liegen sehr oft richtig. Bei den „Pfadfindern“ meint er, die kommen bestimmt aus Deutschland, sie hat ihre Birkenstock zwar nicht an, aber sie hat sie unter Deck. Wir legen ab und setzen die Segel direkt nach der Hafenausfahrt. Das Wetter heute ist „segelbar“! Wir schippern langsam vor uns hin, wechseln hin und wieder die Segel, Markus und Saeko sind dabei sehr aktiv und begeistert. Heute haben wir sogar Wale gesehen. Die letzten 10 NM ist Flaute und wir müssen motoren. Als eine Fähre vorbeikommt, warnen wir uns gegenseitig vor der Welle. Als sie kommt, fangen wir alle an zu lachen und meinen, dass das ja ein Witz sei im Vergleich zu der Nacht davor. Zu Sonnenuntergang erreichen wir La Gomera. Wir legen im Hafen in San Sebastián an und gehen noch flanieren. Wir sehen die „Pfadfinder“ im Hafen und begrüßen sie. Und da sehen wir auch die Birkenstock an Deck. Markus hatte recht 😉.

06.01. – 10.01.

Elias und Katja im Kofferraum des Mietwagens
Elias und Katja im Kofferraum des Mietwagens

Elias ist jetzt ein paar Tage mit seinen Eltern unterwegs. Jan Moritz hilft Jan dabei, sich für die bevorstehende Prüfung vorzubereiten. Jan hat die Prüfung bestanden – herzlichen Glückwunsch!!! An einem Tag machen wir noch einen Ausflug mit Elias Eltern zusammen, die sich ein Auto gemietet haben, mit dem wir gut die Insel erkunden können. Jan T. ist inzwischen auch wieder bei uns und wir sitzen zu 7. im kleinen Auto, daher müssen Elias und ich in den Kofferraum ausweichen. Wir fahren nach El Cedro und gehen dort ein bisschen Wandern. Die Insel ist traumhaft schön :D.

Jan beim Austauschen der Bilgenpumpe
Jan beim Austauschen der Bilgenpumpe
Am Tag letzten Tag in der Marina La Gomera reist Katja ab
Am Tag letzten Tag in der Marina La Gomera reist Katja ab

Bevor die Jungs zu den Kap Verden aufbrechen, gibt es noch einige ToDos auf der Amelija zu erledigen. Die Batterie hat plötzlich aufgegeben, die elektrische Bilgenpumpe funktioniert nicht mehr und der Windpilot muss endlich gerichtet werden. Zum Glück ist Jan T. wieder da, der sich elektrotechnisch gut auskennt und viel helfen kann. Wir helfen alle zusammen, sodass die Jungs den Hafen noch zum passenden Wetterfenster verlassen können. Am letzten Abend wollen wir noch Bratkartoffeln machen, Jan T. übernimmt das Kochen und aus den Bratkartoffeln werden Rühreier aus 17 Eiern. Wir verstehen alle nicht, warum er so viele Eier da reingehauen hatte, aber der Abend wurde dadurch sehr lustig. Wir spielen noch ein paar aufregende Runden Cambio und gehen dann schlafen.

11.01.

Heute Mittag legen die Jungs ab. Vielen Dank für die unvergessliche und schöne Zeit mit euch! Ich habe sehr viel bei euch gelernt!! Danke, dass ich ein Teil eurer Reise sein durfte.

Allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!!

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. JBri

    Sehr schöner Beitrag! Ich musste öfters schmunzeln (z.B. beim Fischfang, Topfunglück bei Krängung)
    Tolle Bilder und Videos!

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