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3 Jungs auf der Atlantiküberquerung!

01.02.23 – 17.02.23

Auf der Atlantiküberquerung berichteten wir täglich über unser Satellitentelefon. Um auch im Nachhinein über unsere Erlebnisse lesen zu können, haben wir in diesem Artikel sämtliche Beiträge zusammengefügt und mit zahlreichen Fotos und Videos ergänzt.

Abfahrt Abfahrt!

Wed Feb 01 2023

Gestern haben wir Mindelo verlassen und sind nach Tarrafal im Süden der Nachbarinsel Santo Antāo gesegelt. Dort haben wir uns heute noch einen sehr schönen Tag verbracht und Kleinigkeiten erledigt.
Am 1.2., so zeigt uns das Datum immer sofort die gesegelten Tage, um 16:28 Uhr war der Anker gelichtet! Auf in die Karibik!
Eigentlich wollen wir ja nach Süden, oder vielmehr nach Westen, doch trotzdem fuhren wir mit Genua und Motorunterstützung nach Norden. So waren wir nach einer guten Stunde aus dem Windschatten der Inseln und werden ihn auch nicht mehr erwischen. Innerhalb weniger Sekunden schlug der lokale schwache Südwestwind in den starken Nordostpassat um.
Mit ordentlich Wind und viel Speed änderten wir den Kurs schon leicht nach Westen, um in den immer höher werdenden Wellen nicht komplett durchgeschaukelt zu werden, aber trotzdem noch vorm Windschatten wegzufahren.
Weiter draußen türmten sich wahrlich Wellenberge auf und wir segelten mit gereffter Genua und mit Steuermann Arnold (unserem Windpiloten) in die erste Nacht.

Tag 1: So kann es bleiben!

Thu Feb 02 2023

Etmal (zurückgelegte Strecke in den letzten 24h): 121sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5kn
Verbleibende Strecke bis Union Island: 2005sm

Nach unserer Abfahrt gestern segelten wir im Abendlicht bei viel Wind und Wellen dem Sonnenuntergang entgegen, während über dem Heck die wunderbare Landschaft Santo Antaos – das letzte Stück Land für mehr als zwei Wochen – immer kleiner wurde. Aber mit zunehmender Entfernung zu den Kapverdischen Inseln, nahmen auch deren Einfluss auf Wind und Wellen ab und sowohl der Wind, als auch der Seegang legten sich etwas. So konnten wir noch in der Nacht die Genua ausreffen und am Morgen auch den Besan setzen. Jetzt segeln wir nun bei ca. 20kn Wind, etwa 2m Welle, Sonnenschein und angenehmen 22°C mit stabilen 5kn der Karibik entgegen. Dabei macht Arnold (unser Windpilot) einen guten Job, sodass wir uns ganz entspannt unseren Büchern, Podcasts und der heruntergeladenen Musik widmen können.
So kann es gerne erst einmal bleiben!

Ein letzter Blick auf Santo Antao

Tag 2

Fri Feb 03 2023

Etmal: 129sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,4kn
Verbleibende Strecke bis Union Island: 1882sm

Alles ist so geblieben wie schon am ersten Tag. Der Wind weht mit knapp 18kn aus Nordost und wir segeln mit Genua und Besan einen angenehmen Raumwindkurs. Auch die Wellen sind aktuell mit knapp 2m ertragbar und unsere Batterien werden mithilfe der Solaranlage zuverlässig geladen.
Nur die Geschwindigkeit könnte doch noch etwas größer sein. Gerade weil unsere Freunde von der DILLY DALLY seit gestern von den Kapverden aus gestartet sind und wir unseren Vorsprung möglichst nicht schrumpfen lassen wollen. Wie heißt es so schön: Zwei Boote, eine Regatta!

Als der Wind heute Morgen noch etwas nachließ, wollten wir den Gennaker setzen. Also Gennaker vorbereiten, Genua einrollen und den Gennaker setzen. Nach knapp einer Stunde war der Gennaker endlich gesetzt und alles eingestellt, sodass wir mit guten 7kn vorankamen. Ungünstig nur, dass die Befestigung des Segels am Bug ständig am Bugkorb scheuerte und sich inzwischen eine große dunkle Wolke von hinten näherte. Weil wir kein Risiko eingehen wollten und sich Elias nach seiner Nachtschicht auch endlich nochmal in seine Koje begeben wollte, brachen wir den Versuch ab und wechselten wieder auf unsere normale Rollgenua.

So sind wir den Tag über auch einfach weitergesegelt, denn ab heute Abend soll der Wind sowieso zunehmen und damit wohl auch unsere Geschwindigkeit.

Tag 3: Die fliegenden Fische und das Bananenbrot

Sat Feb 04 2023

Etmal: 148sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,2kn
Verbleibende Strecke bis Union Island: 1737sm

Auch an Tag 3 ist aus seglerischer Sicht nichts Besonderes passiert. Es ist eigentlich alles so wie schon an den ersten beiden Tagen. Wir segeln unter Genua und Besan und Amelija fährt von Arnold gesteuert gen Westen. Nur der Wind hat wie vorhergesagt zugenommen und somit auch endlich unsere Geschwindigkeit. Nun sind wir mit über 6kn im Schnitt unterwegs und konnten ein neues Rekordetmal von 148sm aufstellen.

Auch die Nacht verlief angenehm ruhig bis auf dass es neben ein paar Wellen nun auch drei fliegende Fische ins Cockpit geschafft haben. Da sitzt man gemütlich im Cockpit, geht nur kurz nach unten um einen regelmäßigen Logbucheintrag vorzunehmen und plötzlich zappeln drei etwa 20cm lange Fische im Cockpit. Das hatten wir bisher auch noch nicht!

Fliegender Fisch an Deck

Am Morgen hat Elias während seiner Schicht ein leckeres Bananenbrot aus den letzten, schon sehr matschigen Bananen gebacken. Das war echt lecker. Zum Mittagessen sollte es dann nur noch eine einfache Tomatensuppe – selbst gemacht von Knorr – mit dem Brot aus Mindelo geben. Da wir sie aber in Spanien gekauft haben und nur auf das Bild mit einer tomatigen Suppe geachtet hatten, wunderten wir uns sehr, als wir eine recht braune Suppe in unserem Topf sahen und der offline Google Übersetzer „Ochsenschwanzsuppe“ ausspuckte. Aber hat auch geschmeckt!

Was war letzte Nacht los?

Sun Feb 05 2023

Kein Grund zur Sorge, bei uns ist alles in Ordnung!
Gegen 23 Uhr entdeckte Jan Moritz in seiner Schicht ein Boot auf unserem AIS, als er die regelmäßige Kontrolle mit Logbucheintrag durchführte.
Komischerweise war das deutsche Segelschiff mit nur ca. einem Knoten Geschwindigkeit unterwegs. Wir vermuteten, dass das 7 Meilen von uns entfernte Schiff wahrscheinlich treibt und möglicherweise ein Problem hat. Auf unsere Funkversuche bekamen wir keine Antwort. Wir beschlossen unseren Kurs nach Süden zu ändern und uns dem Schiff zu nähern, um nach dem Rechten zu sehen.
Als wir nur noch wenige hundert Meter entfernt waren, konnten wir mit unserem Suchscheinwerfer ein treibendes Segelboot ohne Mast erkennen. Das Licht im Innenraum brannte. Im Lee des Bootes fuhren wir so nah wie es ohne eine Gefährdung möglich war vorbei und leuchteten das Schiff an. Mehrmals fuhren wir eine Halse um wieder in die Nähe der Bootes zu kommen. Sowohl auf unser Anleuchten, als auch auf laute Schallsignale war keine Reaktion zu sehen.
Deshalb haben wir mit unserem Satellitentelefon die Seenotzentrale in Bremen angerufen. Dort hat jemand unsere Meldung aufgenommen und leitet diese nun an die Zuständigen auf den Kapverden weiter. Aktuell warten wir auf einen Rückruf und bleiben solange in der Nähe des havarierten Bootes.

Nur kurze Zeit später berichtet unser Freund und Journalist Jens Brambusch, der auf seiner DILLY DALLY zeitgleich mit uns über den Atlantik segelt:

Amelija hilft treibender deutscher Yacht

Sun Feb 05 2023

Die Nacht war wieder viel Wind und Welle, teilweise regnete es auch leicht. Wir haben wieder gute Fahrt gemacht. Allerdings nicht so viel, wie tags zuvor – denke ich. Nachts gegen 2.30 Uhr bemerke ich, dass unser Buddy-Boat Amelija den Kurs um 90 Grad geändert hat und nur nur noch sehr langsam unterwegs ist. Über das Iridium schicke ich eine Nachricht, frage, ob alles okay sei. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Amelija rund 105 sm vor uns. Allerdings etwas südlicher als wir fahren. Die Jungs, 18, 19 und 27 Jahre alt, melden sich sofort zurück. Alles okay bei ihnen, allerdings hätten sie in 7 Meilen Entfernung eine deutsche Yacht auf dem AIS gesichtet, die anscheinend auf dem Meer mit einem Knoten Speed treibt. Da sich niemand über Funk meldet, beschließen die Drei nachzuschauen. Sie ändern den Kurs. In der Tat finden sie die Yacht, 42 Fuß lang, ausgerüstet für die Langfahrt. Der Mast ist abgeknickt, aber unter Deck leuchtet Licht. Die Amelija umkreist das Boot in sicherem Abstand von 50 Metern, leuchtet mit dem Scheinwerfer das Boot an, ruft. Nichts. Aufgrund der hohen Wellen ist es unmöglich, die Boote dichter zusammenzubringen, um nachzuschauen, ob noch jemand an Bord ist. Daher entscheiden die Drei sich, die Seenotrettung in Deutschland anzurufen. Deutsches Schiff, deutsche Zuständigkeit. Die Seenotleitstelle in Bremen setzt sich mit den Kollegen auf den Kapverden in Verbindung, die wiederum umliegende Schiffe zu der Yacht schicken wollen. Mittlerweile sind wir gut 400 sm von den Kapverden entfernt. Die Jungs von der Amelija wollen bis zum Sonnenaufgang bei der Yacht bleiben, um zu sehen, ob doch noch jemand an Bord ist. Ganz großen Respekt vor den Dreien. Alles richtig gemacht! Hoffen wir jetzt das Beste für die Crew der deutschen Yacht.

SV-DillyDally (predictwind.com)

Tag 4: Begegnung mit einem Geisterschiff

Sun Feb 05 2023

Etmal: 119sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5kn
Verbleibende Strecke bis Union Island: 1640sm

Tag 4 begann ganz normal. Der Wind nahm gegen Abend nochmal leicht zu, sodass wir vor Sonnenuntergang das Besansegel bargen und nur mit Genua in die Nacht hineinsteuerten.
Alle zwei Stunden tragen wir in unser Logbuch Position, Strecke, Kurs, Geschwindigkeit usw. ein, um alle Daten auch analog zu dokumentieren. Damit können wir bei einem Ausfall der Navigationsgeräte auf einer Papierkarte weiter navigieren.
So nahm Jan Moritz während seiner Nachtschicht auch um 23 Uhr Bordzeit einen Logbucheintrag vor und stellte fest, dass seit Abfahrt von den Kapverden endlich wieder ein Schiff auf dem AIS zu sehen ist. Sogar relativ nah. Etwa 8sm südwestlich befindet sich ein Boot. Leider war die Funkverbindung gerade gut genug, um zu sehen, dass das Boot mit manchmal zwei, manchmal einem, oft aber auch nur mit weniger als einem Knoten unterwegs ist. Das ist sehr ungewöhnlich für Boote auf dem offenen Atlantik.
Kurze Zeit später konnte man dem AIS-System auch entnehmen, dass es sich um ein deutsches Segelboot mit 42 Fuß Länge handelt. Umso ungewöhnlicher. Wieso sollte ein Segelboot mitten auf dem Atlantik, hunderte Meilen vom Land entfernt sich mit so wenig Geschwindigkeit mit der Wellenrichtung bewegen? Ist es wohl ein Einhandsegler, der sich nachts einfach treiben lässt? Das wäre schon sehr ungewöhnlich. Oder benötigt das Segelboot wohl Hilfe.

Da wir uns nur wenige Meilen entfernt und damit in Funkreichweite befinden, probierte Jan Moritz sofort das Segelboot anzufunken und Kontakt aufzunehmen. Allerdings bekam er auch nach einigen Versuchen keine Rückmeldung. Nicht gerade ein gutes Zeichen.

Gemeinsam entschlossen wir uns den Kurs um etwa 90° nach Süden zu ändern. Schließlich befanden wir uns mittlerweile nur noch 7sm von dem Boot entfernt und wären in etwas mehr als einer Stunde da. Was ist das schon auf dem riesigen Atlantik!
Wenn es sich um einen Seenotfall handelt, sind wir verpflichtet zu helfen, solange wir uns nicht selbst in Gefahr bringen.

Umso näher wir dem AIS Signal kamen, umso mehr fragten wir uns, was uns erwarten würde. Vielleicht war es nur ein Fehlalarm und die Segler lassen sich tatsächlich absichtlich treiben oder vielleicht ist es doch ein aufgegebenes Boot was über den Atlantik treibt? Wir haben zuvor schon von Seglern gehört, die auf ihrem großen Katamaran beide Ruder verloren haben und anschließend von einem Frachtschiff aufgenommen wurden, ihr Schiff jedoch aufgegeben haben. Elias stellte noch folgende These auf: „Vielleicht haben sie auch ihren Mast und damit ihre Antenne verloren und können deshalb nicht mehr funken.“

Mittlerweile war es etwa 2 Uhr Bordzeit. Merkwürdigerweise hatten wir uns laut AIS nun schon weniger als eine Meile angenähert, konnten jedoch noch kein Licht, geschweige denn ein Boot erkennen. Normalerweise wäre ein Segelboot dieser Größe bei dieser Entfernung längst in Sicht. Wir mussten sehr vorsichtig sein, da es auf keinen Fall zu einer Kollision mit dem Boot oder Teilen des Bootes kommen durfte. Wir packten also unseren Suchscheinwerfer aus und Jan Moritz stellte sich vorne an den Bug und leuchtete das Wasser ab. Bei fast Vollmond, knapp drei Meter hohen Wellen und Böen bis 30kn Wind mitten auf dem offenen Atlantik – ein wirklich besonderes Erlebnis!

Elias und Jan refften dabei nochmal etwas die Genua, damit wir unsere Geschwindigkeit etwas drosseln konnten. Plötzlich war etwas auf dem Wasser zu sehen. Es sah zunächst sehr klein und eher wie ein größeres Ruderboot aus. Es gibt immer wieder Menschen, die den Atlantik mit einem Ruderboot überqueren und das also auch mit so geringen Geschwindigkeiten. Also doch ein Fehlalarm?


Wir fuhren noch näher heran und erkannten, dass es sich tatsächlich um ein Segelboot handelte: mit Geräteträger, Windgenerator, Windpilot, Dingi an Deck etc. Nur eins war anders. Der Mast fehlte und in Luv hingen Segel ins Wasser genauso wie auch die Ankerkette am Bug ins Wasser hing. In der Kajüte allerdings war Licht an. Waren also noch Menschen an Bord oder soll das Licht einfach nur für Aufmerksamkeit sorgen, damit es zu keiner Kollision mit anderen Schiffen kommt? Elias gab Schallsignale ab, in der Hoffnung, dass die Insassen darauf reagieren, genauso wie auf das direkte Anleuchten mit dem Scheinwerfer. Als wir an dem Boot vorbeigefahren sind, wendeten wir und versuchten erneut mit möglichen Insassen in Kontakt zu kommen. Dabei versuchten wir trotz der Dunkelheit den Fund mit einem Video zu dokumentieren. Allerdings kamen keine Menschen aus der Kajüte heraus. Aufgrund der hohen Wellen konnten wir nicht näher als etwa 50m an das Boot heran. Genauso wenig konnten wir an Bord des Schiffes kommen, viel zu groß ist die Gefahr für uns, dass einer von uns oder das Boot dabei Schaden nimmt.

Wir können also nur noch die Seenotrettung in Bremen kontaktieren. Per Satellitentelefon erreichten wir jemand und konnten alle wichtigen Informationen weitergeben. Die Seenotrettung gab die Daten an die zuständigen Seenotretter auf den Kapverden weiter, die sich kurze Zeit später bei uns telefonisch meldeten. Diese wollten nun Berufsschiffe in unserer Umgebung kontaktieren und bitten, sich der Sache anzunehmen. Wir sollten allerdings noch vor Ort bleiben. Wir drehten also bei und warteten auf den Sonnenaufgang. Dabei konnten abwechselnd wenigstens zwei von uns ein paar Stunden Schlaf nachholen.

Mit den ersten Sonnenstrahlen nahmen wir nochmal Kurs auf das havarierte Segelboot und versuchten wieder Kontakt zur möglichen Besatzung aufzunehmen. Diesmal fuhren wir in Luv von dem Segelboot vorbei. Vielleicht hatten sie uns letzte Nacht gegen den starken Wind einfach nicht gehört. Als wir ankamen, regte sich allerdings wieder nichts. Kein Lebenszeichen in Sicht. Wir schauten uns das Boot noch einmal genau an und dokumentieren alles mithilfe eines Videos. Bei Tageslicht sah das Boot schon sehr viel heruntergekommener aus. Vermutlich treibt es also schon seit längerer Zeit auf dem Meer herum.

Da wir hier nichts weiter tun können, ohne uns in Gefahr zu bringen, entschlossen wir gegen 8 Uhr Bordzeit den Kurs auf die Karibik abzuändern, gleichzeitig noch einmal Rücksprache mit den Kapverdischen Seenotrettern zu halten und einen Funkspruch an mögliche andere Schiffe in der Nähe abzusetzen.

Was für eine Nacht! Mit so etwas haben wir auf unserer Atlantiküberquerung wirklich gar nicht gerechnet. So ein Zufall, dass wir so nah an dem Segelboot vorbeigefahren sind, es auf dem AIS wahrgenommen und dann tatsächlich auch gefunden haben. Es hatte auf jeden Fall eine sehr geheimnisvolle und geisterhafte Stimmung.
Nach den ganzen Anstrengungen waren wir ganz schön übermüdet und ruhten uns erst einmal aus. Hoffentlich wird die nächste Nacht ruhiger.

Tag 5: Lösung des Rätsels Geisterschiff

Mon Feb 06 2023

Etmal: 146sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,1kn
Verbleibende Strecke bis Union Island: 1500sm

Die Nacht verlief angenehm ruhig. Der weiterhin starke Wind hat mittlerweile etwas mehr auf Osten gedreht und so fahren wir nur unter Genua einen tiefen Raum-Wind-Kurs. Da Arnold uns verlässlich weitersteuert, können wir uns wieder in dem gewohnten Bordalltag einfinden.

Nachdem wir gestern noch eine Mail mit ausführlicher Schilderung der Situation am havarierten Segelboot an die Seenotretter in Bremen geschickt hatten, bekamen wir heute eine freundliche Rückmeldung. Sie bedankten sich für unsere Aufmerksamkeit und konnten mittlerweile feststellen, dass das havarierte Segelboot bereits im November evakuiert und aufgegeben wurde. Seitdem treibe es herrenlos durch den Atlantik. Die Crew soll wohl Mitte November von den Kanaren aus gestartet sein.
Über diese Mitteilung haben wir uns sehr gefreut. Auch die Position des Schiffes passt zu der Auskunft, da die hier vorherrschenden Passatwinde und die Strömungen alles nach Westen, also Richtung Karibik befördern.
Genauso wie uns, nur dass wir unter Segeln sind und damit deutlich schneller ankommen als Treibgut.

Mittlerweile haben wir übrigens mehr als ein Viertel geschafft und in etwa 4 Tagen ist Bergfest!

Tag 6: Das Passatwindsegeln

Tue Feb 07 2023

Etmal: 144 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6kn
Verbleibende Strecke: 1360sm

Der letzte Tag verlief sehr angenehm. Wir können den Reiz der Passatwinde (ganzjährig sehr beständige Nordost-Winde auf der Nordhalbkugel bzw. Südost-Winde auf der Südhalbkugel um den Äquator) sehr verstehen. Seitdem wir vor knapp drei Tagen den Ort des havarierten Segelbootes verlassen haben, haben wir unsere Genua wieder voll ausgerollt, den Windpiloten eingestellt und seitdem praktisch nichts mehr an der Segelstellung geändert. Lediglich den Windpiloten mussten wir das ein oder andere mal nachstellen. Seitdem surfen wir die immer höher werdenden langen Wellen herunter. Lediglich ein paar Querschlägerwellen aus Norden schaukeln die Amelija regelmäßig durch. Laut Wetterbericht soll die Wellenhöhe heute mit 3,7m vorerst ihren Höhepunkt erreicht haben und in den nächsten Tagen wieder etwas abnehmen, genauso wie der Wind.

Gestern haben wir entdeckt, dass sich wohl beim letzten Mal Reffen der Genua das Gennakerfall am Kopf der Rollanlage verhakt hat. Da der gestrige Versuch das Fall zu lösen u. A. an der einbrechenden Dunkelheit scheiterte, versuchten wir es heute bei Tageslicht erneut und mit anderer Strategie. Wir rollten die Genua einfach ein Stück ein und siehe da, das Fall löste sich mit ein bisschen Hilfe. Also alles wieder beim Alten.

Letzte Nacht hatten wir vermutlich unseren ersten kleineren Squall. Es bildete sich plötzlich eine große dunkle Wolke. Die Böen waren nochmal etwas stärker als sowieso schon, es fing an zu nieseln und der Wind drehte um etwa 20° auf Ost. Da wir aber aktuell sowieso nur mit Genua segeln, mussten wir keine Segel bergen, sondern konnten – den Kurs an den Winddreher angepasst – einfach weitersegeln.

Tag 7: Kursänderung

Wed Feb 08 2023

Etmal: 120sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5kn
Verbleibende Strecke: 1255sm

Wie vorhergesagt hat der Wind gestern Abend nachgelassen, sodass wir den Besan setzen konnten. Dadurch und durch die länger und flacher werdenden Wellen wurden auch die Schiffsbewegungen wieder deutlich angenehmer.
Zudem zog am späten Abend der Himmel – anders als an den Tagen zuvor – nicht zu. Stattdessen blieb der Blick auf den faszinierenden Sternenhimmel frei und zumindest die ersten Nachtschichten wurden zu einem Vergnügen. Während unserer Schichten machten wir es uns im Cockpit mit Decke und Sitzsack gemütlich.

Jan beim gemütlichen Lesen im Cockpit

Dafür zogen dann zu Tagesbeginn allerdings ein paar dunklere Wolken auf, die etwas mehr Wind und später sogar etwas Regen mitbrachten. Darüber haben wir uns sehr gefreut, da so die Salzkruste auf unserem Deck zumindest etwas dünner wurde :wink:

Gegen Mittag wollten wir unbedingt etwas an unserem Kurs und/oder der Geschwindigkeit verändern, da wir durch die kleineren Squalls und deren Winddreher immer mehr nach Norden kamen. Weil aber unser Ziel eher im Süden liegt, sind wir eine Halse gefahren und segeln nun mit ausgebaumter Genua und Besan einen tieferen Raum-Wind-Kurs mit Wind von Backbord.

Nicht zu vergessen ist auch noch ein Funk- und Sichtkontakt mit einem anderem Segelboot am gestrigen Abend. Wie sich in einem netten Plausch per Funk herausstellte, ist das französische Boot bereits zum Jahreswechsel zeitgleich mit uns in der Marina Lanzarote gewesen und nun genau wie wir auf dem Weg in die Karibik. So trifft man sich also wieder: Mitten auf dem Atlantik.

Tag 8: 1000 Meilen…

Thu Feb 09 2023

Etmal: 129sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,4kn
Verbleibende Strecke: 1136sm

…liegen nun hinter uns. Seit dem Start von den Kapverden aus haben wir 1057sm zurückgelegt und somit fast die Hälfte geschafft.

Der Wind hat weiter nachgelassen und wir segeln weiterhin mit ausgebaumter Genua und Besan der Karibik entgegen.

Gestern Nachmittag haben wir für etwa eine halbe Stunde beigedreht, also die Amelija in einer stabilen Lage angehalten, und die Meerwassertests für Montemero durchgeführt. Unter anderem haben wir die Wassertemperatur in den verschiedenen Tiefen und den PH-Wert gemessen. Diese Tests werden wir gegen Ende der Atlantiküberquerung wiederholen und die gesammelten Daten Montemero übermittelt. Gemeinsam mit den Daten einiger anderer Segelboote, bildet sich so ein Gesamtbild.

Elias beim Testen des Salzgehalts

Heute haben wir das letzte Brot aus Mindelo verarbeitet. Da dieses natürlich schon trockener war, sind wir dem Tipp erfahrener Langfahrtsegeler gefolgt und haben daraus leckere Croutons gemacht. In den nächsten Tagen wird es also Zeit unser Brot selbst zu backen…

Tag 9: Bergfest!

Fri Feb 10 2023

Etmal: 125sm (1 sm = 1,852 km)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,2kn (1 kn = 1,852 km/h)
Verbleibende Strecke: 1018sm

Heute feiern wir das Bergfest. Ab heute ist die Strecke zum Ziel kürzer als die zum Ausgangspunkt. Wir befinden uns so weit entfernt von jeglichen Landmassen wie nie zuvor auf unserer Reise. Das nächste Festland ist tatsächlich Französisch-Guyana in Südamerika, jedoch trotzdem noch über 800sm, also etwa 1500km von uns entfernt.

Trotzdem oder gerade deswegen lassen wir es uns heute richtig gut gehen. Der Tag begann mit einem üppigen Frühstück bestehend aus Pfannkuchen und zum Mittagessen gibt es einen frisch gefangenen Fisch mit Kartoffeln. Gestern haben Elias und Jan nämlich das erste Mal auf dieser Fahrt die Angel ausgeworfen, da sich unsere Gemüsevorräte so langsam dem Ende neigen. Nachdem zunächst ein paar Mal Seegras an der Angel hing und einen Fehlalarm auslöste, zog kurz vor Sonnenuntergang ein Mahi Mahi an der Angel.

Kurz vorm Bergfest wird ein Mahi Mahi gefangen

Das Seegras erschwert aktuell nicht nur das Angeln, sondern auch unserem Steuermann Arnold (dem Windpiloten) seine Arbeit. Heute fahren wir durch besonders viele, mehrere Quadratmeter große Seegrasteppiche, sodass sich das Seegras an dem Pendelruder des Windpiloten verhängt und dieses bei zu starker Last nach hinten hochklappt. Dann ist das Seegras zwar weg, aber Arnold hat keine Kraft mehr um die Amelija auf Kurs zu halten. Wie schon letzte Nacht, mussten wir heute das Pendelruder neu einstellen. Hoffentlich wird das Seegras demnächst wieder weniger. Das ist allerdings eher unwahrscheinlich, da es sich bei einer höheren Wassertemperatur (das Wasser wird Richtung Karibik ständig etwas wärmer) mehr ausbreitet.
Einigen Seglern zufolge hat das Seegras auf dem Atlantik aufgrund des Klimawandels und der somit gestiegenen Meerestemperatur in den letzten Jahren zugenommen.

Aktuell arbeitet Arnold aber vorerst wieder, sodass wir uns gleich dem frisch gebackenen Schokoladenkuchen widmen können😋.

Tag 10: Endlich dreistellig!

Sat Feb 11 2023

Etmal: 141sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,9kn
Verbleibende Strecke: 889sm

Seit letzte Nacht haben wir weniger als 1000sm noch vor uns. Das ist ein gutes Gefühl und man merkt, dass die Meilen nun weniger werden.
In der letzten Nacht haben wir aber nicht nur die 1000 Meilen Marke überschritten, sondern auch den 45. westlichen Längengrad. Deswegen haben wir die Zeit nochmal um eine Stunde zurück auf GMT-3 gestellt.

Da der Wind mittlerweile nicht mehr ganz so stark ist, haben wir heute Morgen eine neue Segelkonstellation ausprobiert, um mit mehr Segelfläche etwas mehr Geschwindigkeit zu laufen. Und zwar haben wir zu der ausgebaumten Genua statt dem Besan an unserem zweiten Vorstag ein Stagreitersegel gesetzt. So können wir nahezu direkt vor dem Wind segeln und in Squalls müssen wir nicht den Besan bergen, sondern können einfach kurzfristig den Kurs ändern und die Stagreiterfock auf die Genua überlappen lassen, wodurch wir die Segelfläche sehr einfach und sicher verkleinern. Durch den nahezu Vor-Wind-Kurs kommen bis auf ein paar Querschläger von der Seite die Wellen von Achtern. Damit sind die Schiffsbewegungen relativ angenehm.



Wir haben uns aber sowieso alle an die Bewegungen gewöhnt. Jeden Schritt und jede Bewegung führen wir im Takt der Wellen aus. Wir haben uns also schon richtig an das Bordleben gewöhnt. Auch unser Schichtplan von drei Schichten je vier Stunden in der Nacht und 4 Schichten je drei Stunden am Tag (damit die Schichten rotieren) gefällt uns sehr gut.

Trotzdem freuen wir uns schon in etwa einer Woche wieder etwas anderes sehen und erleben zu dürfen, als die Amelija zwischen Sternenhimmel, Squalls, Sonnenschein, Sonnenauf- und untergängen und dem teilweise über 6000m tiefen Atlantik.

Tag 11: Wunderbar…

Sun Feb 12 2023

Etmal: 129sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,4kn
Verbleibende Strecke: 770sm

… erfrischend so eine Kübeldusche. Mittlerweile sind die Kübelduschen, also ein Eimer voller Atlantikwasser, ein richtiges Tageshighlight. Da wir zum Glück bisher in noch keiner Flaute festhingen und sich somit kein Badestopp anbot, nutzen wir unseren Eimer um uns im Cockpit von der tropischen Sonne und den täglich steigenden Temperaturen abzukühlen.

Kübeldusche mitten auf dem Atlantik

Gestern Abend kurz nach Sonnenuntergang steuerte Arnold die Amelija auf einmal in immer größer werdenden Schlangenlinien, bis wir schließlich ständig eingreifen mussten, um keine Patenthalse zu fahren. Der erste Verdacht, dass das Pendelruder aufgrund des Seegrases erneut hochgeklappt sei, bewahrheitete sich nicht als entscheidender Grund. Vielmehr war es wohl der gegen Abend zugenommene Wind, der die Amelija zunehmend in vom Kurs abbrachte. Anscheinend waren wir für den stärkeren Wind mit ausgebaumter Genua und gesetzter Fock zu schlecht getrimmt. Also bargen wir die Stagreiterfock und segelten wie die Tage zuvor auch schon nur mit ausgebaumter Genua durch die Nacht.
So sind wir zwar etwas langsamer, jedoch squallsicher und von Arnold zuverlässig gesteuert unterwegs. Wir haben also eine ruhige, schlafreiche Nacht und können während der Nachtschichten den Sternenhimmel mit hunderten von Sternen bewundern, wenn dieser nicht gerade von ein paar Wolken verdeckt oder dem Mond überblendet wird.

Kurz nach Sonnenaufgang hatten wir Besuch. Und zwar nicht von fliegenden Fischen, Delphinen oder sonstigen Lebewesen des Meers, sondern von ein paar Vögeln. Man wundert sich, wie sie hier – über 600sm vom nächsten Land entfernt – herkommen, denn legen sie nicht ihre Eier an Land?

Besuch von einigen Zugvögeln

Nach Sichtung der Vögel machten uns für ein paar Stunden riesige Algenteppiche und -ketten von teilweise einigen Seemeilen Länge dem Windpiloten zu schaffen. Nach einigen Malen des Nachstellens lief Arnold allerdings wieder wie gewohnt.

Gegen Mittag ließ dann der Wind nochmal etwas nach, sodass wir wieder die Fock setzten, damit den Kurs um ein paar Grad nach Süden änderten und unsere Fahrt wieder von etwa vier auf etwa sechs Knoten erhöhen konnten. Gegen Abend wollen wir sie aber lieber wieder einholen.

Tag 12: Läuft!

Mon Feb 13 2023

Etmal: 151sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,3kn
Verbleibende Strecke: 631sm

Die Amelija läuft – und zwar mit guter Geschwindigkeit und einem neuen Rekordetmal dem Ziel entgegen.

Kurz vor Sonnenuntergang bargen wir gestern noch die Fock. Mit etwas Tageslicht geht das doch deutlich einfacher und entspannter als noch am Tag zuvor. Das war auch die richtige Entscheidung. Wie auch an den Abenden zuvor nahm der Wind zu und wir konnten trotz deutlich kleinerer Segelfläche unsere Geschwindigkeit von 6-7kn halten.


Außerdem brauchten wir uns während der Nacht keine Sorgen um Squalls zu machen. Die bisherigen Squalls waren nie so stark, dass wir unsere Genua reffen mussten.
Die Nacht wurde also sehr angenehm. Im Sitzsack sitzend konnten wir den Sternenhimmel beobachten, während Squalls kein Problem darstellten, Arnold uns auf Zielkurs steuerte und wir mit guter Geschwindigkeit die Wellen herunter surften. Es läuft also!

Heute Morgen hat der Wind wie vorhergesagt auf fast Ostwind gedreht. Deswegen haben wir die Genua nun nicht mehr an Backbord, sondern an Steuerbord mit dem Spibaum ausgebaumt.

Ansonsten ist nicht Besonderes passiert. Bis auf dass die Kojen in der Achterkabine wieder einmal zum Teil nass sind. Da es mittlerweile wirklich warm ist und seit längerem keine Wellen mehr das Deck überspülen, wagten wir die Luke in der Achterkabine einen Spalt weit zu öffnen. Das ging auch lange gut, bis es heute Morgen gleich drei Wellen nacheinander in die Achterkabine und die Pantry schafften. Aber halb so wild, bei der Sonne wird alles schnell wieder trocken.

Tag 13: Das letzte Viertel beginnt

Tue Feb 14 2023

Etmal: 123sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,1kn
Verbleibende Strecke: 516sm

Alles läuft weiter wie gehabt. Wir haben etwa 20kn Wind aus östlicher Richtung und segeln mit der Genua an Steuerbord.

Wie bereits erwähnt, haben wir ein Schichtsystem an Bord, wodurch immer einer für Kurs, Geschwindigkeit, die Segelstellung und vor allem das Ausguckhalten verantwortlich ist und die anderen beiden kochen, abwaschen, schlafen, lesen, Musik hören usw. können.
All die Aufgaben für den Schichtführer sind aber nicht besonders aufwändig. Der Wind kommt fast immer mit ähnlicher Stärke aus derselben Richtung, weshalb Segelveränderungen nur selten anstehen und neben Wasser, Wasser und Wasser gibt es auch nicht besonders viel zu sehen. Bisher haben wir neben dem Geisterschiff nur ein Licht eines Segelbootes in größerer Entfernung gesehen.

Kleiner Einblick in das Geschaukel zwischen den Atlantikwellen


Gestern Abend gab es dann überraschend jedoch doch etwas zu tun. Wie fast jeden Abend nach Sonnenuntergang frischte der Wind auf und der Himmel zog sich zu. Normalerweise lassen wir unsere eher kleine Genua in Squalls einfach stehen. Als der Wind für die Genua aber schon ziemlich stark war, bevor die riesige dunkle Wolke über uns war, refften wir kurzerhand die Genua. So waren wir auf alles sicher vorbereitet. Aber es kommt immer anders als man denkt. Der Wind nahm nicht zu, sondern es fing nur an zu nieseln. Also kein Problem!
Und auf die dunkle Wolke folgte wie jeden Abend ein wunderbarer Sternenhimmel!

Nun fehlt uns nur noch das letzte Viertel der Strecke. Sollte alles so weiterlaufen wie geplant, kommen wir am kommenden Samstag auf Union Island in den Grenadinen an.

Tag 14: Gennaker-Time

Wed Feb 15 2023

Etmal: 123sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,1kn
Verbleibende Strecke: 402sm

Bereits gestern Abend begann der Wind nachzulassen. Gegen 17 Uhr Bordzeit setzten wir also erneut unsere Stagreiterfock an Steuerbord und konnten so mit fast doppelt so großer Segelfläche zunächst unsere Geschwindigkeit halten.
Wie vorhergesagt, ließ der Wind in der Nacht aber noch mehr nach und zudem wurde auch unser Kurs immer schlechter.
Am Morgen, als die Sonne aufgegangen und alle wach waren, entschieden wir uns eine Halse zu fahren und den Gennaker zu setzen.
Also Stagreiterfock bergen und sichern, Spibaum abbauen, Genua einrollen. Gennaker hochziehen, Schot einziehen und los geht es. Nach einer halben Stunde war alles umgebaut, Arnold eingestellt und die Amelija läuft mit 6kn Geschwindigkeit auf Zielkurs und vor allem läuft sie ruhig. Durch das große über dem Bug schwebende Segel wird die Amelija in den Wellen sehr gut stabilisiert. So wird das Leben an Bord direkt viel wohnlicher.
Heute Nacht wird der Wind jedoch wieder zunehmen, weshalb wir am Abend den Gennaker wieder gegen die Standardbesegelung tauschen werden.

Tag 15: Wir machen es kurz: Barbados

Thu Feb 16 2023

Etmal: 124sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,2kn
Verbleibende Strecke: 175sm

Seit Anfang der Überfahrt haben wir uns das genaue Ziel in der Karibik offen gelassen. Wir planten zunächst direkt bis nach Union Island in den Grenadinen durchzusegeln, jedoch eventuell einen Zwischenhalt auf Barbados einzulegen.
In den letzten Tagen haben wir festgestellt, dass in unserem Diesel-Vorfilter dreckiges Wasser steht. Da wir zwei Dieseltanks haben, haben wir gestern den anderen Tank für eine knappe Stunde getestet, während wir das erste Mal auf der Fahrt mithilfe unseres Motors die Batterien nachgeladen haben. Dabei haben wir festgestellt, dass der Filter nicht sichtbar mehr verdreckte. Wir können also über unseren zweiten Tank erst einmal sicher weiterfahren.

Damit wir aber die Zeit in den Grenadinen genießen können und zudem die Infrastruktur auf Barbados besser ist, klären wir das Problem direkt auf Barbados. Außerdem ist Barbados auch nicht gerade eine schlechte Anlaufstelle und auch zwei bekannte Segelboote aus Almerimar und Gibraltar, die STRAWANZA und HEUREKA, sind zurzeit dort vor Ort.

Daher freuen wir uns umso mehr in nun schon weniger als zwei Tagen festen Boden unter den Füßen zu haben!

Bevor wir gestern Nachmittag den Gennaker geborgen haben, hat uns das Seegras noch geärgert. Ständig verhingen sich Seegrasbüschel an dem Pendelruder des Windpiloten, wodurch wir sehr große Schlangenlinien fuhren. Wir befreiten Arnold also des Öfteren vom Seegras und stellten ihn wieder ein, bevor er dann zumindest für eine Weile wieder seinen Dienst erfüllte.

Nachdem der Gennaker also geborgen war, drehten wir in der späten Nachmittagssonne bei und führten für Montemero/SeaLabs ein zweites Mal Meerwassertests durch. Als alles abgeschlossen war, setzten wir erneut die Genua und den Besan und fuhren in eine sehr angenehm ruhige Nacht hinein.

Messung des pH-Werts

Land in Sicht!

Fri Feb 17 2023

15:56 Uhr Bordzeit:
Elias (aktueller Schichtführer): Land in Sicht!!!
Jan Moritz schreckt von seinem Buch auf und muss auch erst einmal den Horizont absuchen, erkennt aber sofort was Elias meint. Allerdings noch sehr klein und schwach im Dunst und Gegenlicht der Nachmittagssonne. Sofort wird das Fernglas ausgepackt.
Tatsächlich, ein blasser Schimmer ist Backbord voraus am Horizont zu sehen. Es ist eindeutig. 2125sm nach Verlassen der Kapverden sehen wir erstmals wieder Land. Um genau zu sagen Elias und Jan Moritz. Jan verschläft diesen Moment. Sei ihm aber gegönnt. Er muss heute Abend ja auch fit sein;)

Nun sind es noch 38sm bis Port St. Charles.

Angekommen auf Barbados!

Nach 16 Tagen und 8 Stunden auf See haben wir den Atlantik erfolgreich überquert und sind auf Barbados angekommen.
An unserem letzten Tag hatten wir eine sehr entspannte Ansteuerung mit sehr guten Bedingungen. Mit voller Besegelung näherten wir uns schnell dem Ziel, konnten den Sonnenuntergang erstmals wieder beim Land beobachten, sowie die unzähligen Lichter an Land.


Am Ankerplatz angekommen wurden wir herzlich von unseren Freunden von der STRWANAZA und HEUREKA empfangen. Unser Ankerplatz war bereits von ihnen mit einem Fender reserviert. Das hatten wir bisher auch noch nicht!
Nachdem der Anker gegen 22 Uhr Ortszeit gefallen war, ließen wir den Abend gemeinsam mit unseren Feunden bei einem Ankerbier im Cockpit ausklingen!

Nun noch ein paar Zahlen:
Zurückgelegte Strecke: 2170sm (4019km)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,5kn

Schlusswort

Nach über 16 Tagen waren wir dann doch froh, endlich wieder an Land zu sein und andere Leute zu treffen. Nach den ersten Tagen auf See hatte sich schon ein richtiger Alltag eingespielt. Es war kein besonders spannender Alltag, aber man kam gut klar und jeder hatte seine Hochs und Tiefs im Verlaufe eines Tages. Wir wurden die Tage darauf natürlich oft gefragt, ob wir Lust auf eine weitere Ozeanüberquerung hätten. Dem ist niemand von uns wirklich abgeneigt, aber wir haben es auch auf keiner Bucketlist stehen.

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Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Stephanie Castro

    Das ist wirklich unheimlich und ihr habt gut gehandelt. Da kriegt man (ich/ihr?) noch mal mehr Respekt vor der ganzen Aktion! Passt weiter gut auf, haltet stets Augen und Ohren auf, wenn ihr nicht grad mal schlafen dürft. Liebe Grüße aus dem doch sehr langweilen Celle;-)

  2. Stephanie Castro

    Passiert das wohl öfter, dass evakuierte Boote einfach als Treibgut auf dem Meer verweilen? Eine Entsorgung aus der Entfernung ist wahrscheinlich zu aufwändig/kostspielig?! Schön, dass die Crew also schon in Sicherheit war! Euch eine gute Weiterfahrt, wahrscheinlich inzwischen schon ohne frisches Obst und Gemüse?;-)

    1. Jan Moritz

      Diese Frage haben wir uns nach den Geschehnissen auch direkt gefragt. Warum lässt man ein havariertes Boot einfach auf dem Meer treiben. Wir verstanden zwar, dass eine Bergung eines Segelbootes mitten auf dem Atlantik sehr aufwändig und teuer ist, jedoch stellt es ein potenzielles Risiko für die Schifffahrt da. Denn sollte das AIS-System ausfallen, würde man das Boot kaum noch sehen. Die Frage stellten wir auch den zuständigen bei der Seenotrettung in Bremen.
      Man antwortete uns:

      „In küstennäherem Gebiet bzw. sofern es möglich ist, werden treibende Yachten eingeholt.

      Abbergungen auf dem Atlantik sind eine aufwändige und risikoreiche Aktion. Dass ein Boot oder eine Yacht auf dem Atlantik aufgegeben wird, kommt nicht oft vor und erfolgt nur unter extremen Umständen.
      Extrem selten überstehen Boote eine Havarie, die so schwer ist, dass eine Abbergung das letzte Mittel der Wahl ist.

      Der Kapitän eines Handelsschiffes wird den Moment am Havaristen so kurz wie möglich halten, solange Personen an Bord sind – zu groß ist die Gefahr für den/die Menschen unten durch das Längsseitsnehmen eines im Vergleich winzigen Bootes.
      So schilderte es auch der Vater von Boris Herrmann, der seine Yacht während einer Weltumsegelung aufgab und von der Lotsenleiter wieder ins Boot stieg, um die Seeventile zu öffnen. https://www.yacht.de/special/menschen/abgeborgen-da-klafft-eine-schmerzhafte-luecke/

      Es ist also sehr verständlich, dass die Abbergung der Personen an Bord mitten auf dem Atlantik äußerst kompliziert und gefährlich ist, sodass man kaum von den Beteiligten erwarten kann, sich auch noch um das havarierte Schiff zu kümmern.

  3. Stephanie Castro

    Mit den Vögeln mitten im Atlantik erinnert irgendwie an die Arche Noah und das Aussenden einer Taube…. vielleicht stoßt ihr ja doch auf eine unentdeckte Insel?!;-)
    Gute Weiterfahrt und liebe Grüße!

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