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Gastbeitrag: St .Vincent und die Grenadinen

17.05. – 13.6.2023

Wieder zu Hause, kommt es mir vor wie ein Traum: War da was? Die letzten Wochen vom
15. Mai bis 13. Juni 2023 waren wir in der Karibik, drei Wochen davon zusammen mit unserem Sohn, wieder zwei Wochen davon an Bord der “SV Amelija” nach der erfolgreichen Atlantik-Überquerung. Vereinbart war das Wiedersehen in Le Marin, Martinique. Die ersten Tage bis Ankunft der Amelija verbrachten wir in Tartane um dort surfen zu gehen. Elias hatte dort ein paar Tage verbracht, gesurft und in seiner Hängematte am Strand übernachtet. Aber in der Nebensaison ein Surfboard zu finden war alles andere als leicht, auch für uns. Interessant trotzdem der Gang über die Halbinsel “Caravelle” mit den schönen karibischen Sandstränden unter Palmen und dem Lost-Place einer scheinbar aufgegebenen Hotelanlage, was jetzt von ein paar Einheimischen bewohnt oder bewacht wird.

St. Anne, Martinique.

Die Fahrt per ÖPNV war eine Tagesaktion, von Tartane im Nordosten der Insel zu unserem mit Elias vereinbarten Treffpunkt in Le Marin. Mehrmals mussten wir den Bus wechseln und fuhren stundenlang quer über Martinique, gut für eine Übersicht und einen Eindruck vom Leben auf der Insel. Die Jungs von der Amelija waren per Anhalter gefahren, wir hingegen hatten weniger Glück, noch dazu mit unserem Gepäck. Ob es an unserem Alter und/oder Gepäck lag? Wahrscheinlich beides irgendwie.
Angekommen in Le Marin, mussten wir feststellen wie toll unser Apartment lag: Mit großem Balkon direkt an der Marina mit Blick auf die Ankerbucht.
Amelija war währenddessen aus Dominica eingetroffen. Als wir aufbrechen wollten, meinte ich aus der Ferne auf der Straße eine Bekannte erkannt zu haben. Als ihr Begleiter und ein kleiner Hund noch in Erscheinung traten, gab es keinen Zweifel: Das ist die Crew der “Dilly-Dally”: Jens, Arzum und Bordhund Cingene waren bei der Transtlantik-Flotille zusammen mit Amelija! Von Kas an der türkischen Mittelmeer-Küste waren sie aufgebrochen um in die Karibik zu segeln. Jens ist angesehener Journalist und Autor vieler Bücher. Er hat einen Kanal auf YouTube. Bei einigen seiner Beiträge sind auch die Jungs der Amelija zu sehen. Von Jens und Arzum erfuhren wir, dass Amelija direkt neben der Dilly-Dally geankert hatte.

Bei Kontaktaufnahme mit Elias wurde vereinbart, dass wir uns nach dem Einkauf an der Marina treffen – genug Zeit für uns noch den schönen Strand von St. Anne zu besuchen. So trafen wir uns am späten Nachmittag des 17. Mai wieder – vier Monate nachdem wir „SV Amelija“ am Mittag des 11. Januar von La Gomera verabschiedet hatten, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Abends gab es ein Wiedersehen mit den Crews der “Amelija”, “Dilly-Dally” und “Avalon” nach unserer gemeinsamen Weihnachtsfeier in Arecife/Lanzarote. Es sollte nicht unser letztes Treffen in der Karibik sein. Doch dazu später…

Meet-and-Greet mit Crews der SV Amelija, SV Avalon und SV Dilly-Dally in Le Marin, Martinique

18. – 20. Mai 2023

Am letzten Abend in unserer Ferienwohnung hatten wir Pasta al Limone, zubereitet mit frischen Zitronen, Kräutern und Parmesan. Das genossen wir mit Elias und Jan Moritz zusammen auf unserer Terrasse. Etwas schien uns ungewohnt und merkwürdig: Es war erstaunlich ruhig hier auf den Straßen: wenige Menschen, geschlossene Läden und keine Musik. Ob es mit der Nebensaison, der Tageszeit zusammenhängt oder immer so ist? In den Mittelmeer-Ländern jedenfalls würde es mit Sicherheit lebhafter zugehen.
Am nächsten Vormittag sollten wir an Bord der Amelija und gleich ablegen Richtung Süden: Ort und Tag der Übergabe von Amelija an den nächsten Besitzer standen nämlich schon fest: 23. Juni auf Trinidad. Da aber noch viele interessante Stopps auf unserem Weg waren, wollten wir gleich weiter.
Wir hatten proviantiert und Lukas (einen Kollegen von Jan) verabschiedet. Am 20. Mai musste Jan Moritz erstmal die Zünd-“Kerzen“ auf seinem Geburtstagskuchen auspusten. Nun hatten also alle drei Amelija-Skipper auf dieser Reise ihren Geburtstag, den sie sicherlich in besonderer Erinnerung behalten werden.

Am 20. Mai abends legten wir dann von Le Marin ab.
St. Lucia querab, segelten wir südwärts nach Chateaubelair an der Westküste von St. Vincent. Der Staat “St Vincent und die Grenadinen” (kurz SVG) besteht aus der Hauptinsel St. Vincent sowie 32 bewohnten und unbewohnten Inseln der langgezogenen Kette der nördlichen Grenadinen, die zu den Windward-Inseln innerhalb der Kleinen Antillen gehören.
Von Le Marin auf Martinique zu unserem nächsten Ziel auf St. Vincent waren es zwar „nur“ 75 Seemeilen (sm). Bei Seegang kann sich so eine relativ kurze Distanz subjektiv lang anfühlen, wenn man Ozean nicht gewohnt ist. Auch Nachtfahrten sind für Charter-Segler wie uns ungewohnt (mit einem Charter-Boot darf bei Dunkelheit nicht gesegelt werden), unter dem wunderschönen Firmament aber sehr schön zu segeln, sofern die See denn ruhig und der Himmel klar ist. Auf dem weiten Ozean hat man keine Wahl und muss bei jedem Wetter durch. Umso größer ist also mein Respekt vor der Atlantiküberquerung der Amelija-Crew, zweieinhalb Wochen ohne Ankerpause und Landgang! Wie überwältigend muss es dann gewesen sein, am Ziel anzukommen und nachts von befreundeten Segelcrews begrüßt zu werden, die schon mal den Ankerplatz für Amelija frei gehalten hatten. Kann nur wissen, wer es erlebt hat…


21. Mai 2023

Ankommen und ankern im Dunkeln haben eine schlechte und eine gute Seite. Schlecht: Der Ankergrund ist meistens nicht zu sehen um die Tauglichkeit zu beurteilen. Auch Untiefen und sonstige Hindernisse sind schwer erkennbar.
Gut: Die Überraschung am nächsten Morgen auf dem Deck: In diesem Fall eine wild zerklüftete, bewachsene Küste mit dichter tropischer Vegetation. Zum Glück kamen wir nach Sonnenaufgang an der Ankerbucht an und hatten so gleich eine gute Sicht zum Ankern und auf das Land. So müssen die karibischen Inseln wohl alle ursprünglich ausgesehen haben. Kein Wunder, dass die Küsten von St. Vincent als Kulisse für die Hollywood-Filme “Fluch der Karibik” ausgewählt wurden.

Wild: Küste von St.Vincent bei Chateaubelair

Beim Passieren von Grenzen auf See gehört das obligatorische “Ein- und Ausklarieren” (Ein- und Ausreise-Formalitäten für Schiffscrews) an einem Port-of-Entry zu lästigen Notwendigkeiten. Laut Jan Moritz war diese Prozedur in der kleinen Behörde von Chateaubelair zeitaufwendig und im Vergleich zu anderen Inseln vergleichsweise teuer.
Eine mögliche Erklärung: SVG sind im Vergleich zu anderen Karibik-Inseln wie Antigua, Barbados, Grenada, Martinique oder den Jungferninseln relativ arm. Viele Menschen leben hier von der Subsistenzwirtschaft. Wahrscheinlich sind die Einnahmen durch Segel-Tourismus umso wichtiger. Allerdings kamen wir auch an einem Sonntag an und mussten deshalb draufzahlen.
Bei unserem Rundgang durch Chateaubelair mit den bunten kleinen Häusern waren die Menschen sehr hilfsbereit: Ein paar Kinder begleiteten uns und führten uns zu einem Guesthouse, wo Markus und ich übernachten wollten. Die Kinder wunderten sich aber sehr über etwas Geld, was wir ihnen für ihre Hilfe gaben, das kam uns merkwürdig vor. Aber: Menschen erwarten nicht zwangsläufig eine Gegenleistung für Hilfsbereitschaft. Und das ist gut so. Ich fragte mich: Untergraben wir mit unserem Geld vielleicht genau das und machen andere dafür empfänglich?

Chateaubelair, St. Vincent

Beim weiteren Rundgang wurden wir von einem Herrn angesprochen, der vom Verkauf der Ernte aus seinem Garten lebt und uns später etwas Obst brachte. Als wir noch gemeinsam seinen Garten aufsuchten, um mehr Obst zu holen, zeigte er uns seine Hütte, verschiedene Bäume und andere Pflanzen, von welchen die Menschen dort leben (z.B. Passionsfrüchte, Bananen, Mangos, Papayas, Brotfrüchte uvm.).
Im Garten lag sein selbst gebautes, beschädigtes Ruderboot, was er leider nicht hatte reparieren können: Da St. Vincent – vielleicht auch als Folge weitverbreiteter Gerüchte – von vielen Segelcrews gemieden wird, mangelt es z.B. auch an Ersatzteilen und Bootszubehör wie Glasfaser-Tüchern und Epoxid-Harz um einfache Reparaturen am Bootsrumpf durchzuführen.

Vieles kommt aus dem Garten und Wald, St. Vincent

Bei unserem Rundgang erzählte unser Gastgeber auch etwas über Energiegewinnung auf St. Vincent: Strom gewinnen die Menschen durch ein Wasserkraftwerk und einem Pumpwerk flussaufwärts sowie jede Menge Solarpaneelen an jeder Ecke (Straßenbeleuchtung, Haltestellen usw.). Auf die ausschließlich grünen Energiequellen und den bioorganischen Landbau war unser Guide zurecht sehr stolz: Die Menschen haben zwar keine große Wahl, ganz offenbar vermissen sie vieles aber gar nicht. Es heißt „Reisen bildet“. Auf jeden Fall geben Begegnungen mit vielen Menschen hier Anlass, um über die wahre Bedeutung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ nachzudenken.


22. Mai 2023

Chateaubelair an der Westküste der Insel sollte unser Ausgangspunkt sein für den Aufstieg zum Gipfel des Soufriere. Da der Tag regnerisch startete, verschoben wir den Aufstieg und machten stattdessen eine kurze Wanderung, um den nahegelegenen Wasserfall zu finden. Allein bei diesem relativ kurzen Ausflug durch den verregneten Wald gab es so viele bunte Vögel, Schmetterlinge und wilde Orchideen, dass sich der Ausflug trotz Regen lohnte.

Die Wege sind rutschig”, warnt uns ein Ortskundiger… der Wald ist bei Regen besonders duftend, dicht grün und schön

23. Mai 2023

Der dritte Tag war vorgesehen für den noch aktiven Vulkan Soufriere. Elias, Jan Moritz, Markus und ich starteten etwa morgens um 8:00 Uhr den Aufstieg durch die verschiedenen vertikalen Zonen an der Westflanke. Den Anfang bildete eine relativ kurze Strecke entlang der Küste, dem Delta flussaufwärts und die Talflanke hoch bis zum Gipfel. Der schwarze Sand und die Flanken zeigten die noch frischen Ablagerungen der letzten Eruption. Sie liegt noch keine zwei Jahre zurück: Am Tag des Ausbruchs, 9.Oktober 2021, mussten 20.000 Menschen aus 30 Dörfern auf der Hauptinsel St.Vincent evakuiert werden. Man mag sich nicht vorstellen, welche Herausforderung das in Zeiten der Corona-Pandemie war.
Seit Februar 2023 ist der Aufstieg zum rauchenden Vulkan wieder frei gegeben und es wert gemacht zu werden: Allein der Weg durch das Flusstal, den dichtbewachsenen Hochufern, beeindruckend großen Bäumen, Waldgärten, verkohlten, durch Gasströme verbogenen, grauen Baumstümpfen hinauf zur Caldera jenseits der Baumgrenze ist eine Erfahrung für sich.

Aufstieg auf den Soufriere, St. Vincent

Dank Aufmunterung und unermüdlichem Zuspruch von Elias, konnte ich bis zum Schluss durchhalten und die Kraft bis zum Gipfel aufbringen. So blickten wir nach vier Stunden Aufstieg hinunter in einen rauchenden Schlot, während wir die am Wegesrand aufgesammelten leckeren Mangos verzehrten. Beim Abstieg kamen wir zurück an den Strand, wo kleine Fischerboote dem Sonnenuntergang entgegenfuhren. Barfuß liefen wir den Strand entlang durch sanft rauschende Wellen und im Meer reflektierende Farben des Abendrots. Ein unvergesslich schöner Tag!

Zeichen der Eruption und Sunset am Wallibou-Beach, St.Vincent

24. Mai 2023

Die Weiterfahrt am nächsten Tag ging in die größere Stadt Kingstown etwa 15 sm südlich, da die Amelija Probleme mit dem Kühlschrank, der Gasleitung und dem Herdschalter hatte. Ein Herd ist unverzichtbar um eine gute Stimmung an Bord aufrecht zu erhalten! Und so mussten wir ein paar Tage in der Nähe von Kingstown einlegen, wo wir hofften die benötigten Dinge zu finden. Während wir Eltern ein Zimmer im sehr schönen Hotel “Mariner’s Inn” gegenüber von Young Island bezogen, lag Amelija in der “Blue Lagoon”, damit Elias, Jan Moritz und Jan die für die Reparatur notwendigen Sachen besorgen konnten. Auch ein Yamaha-Händler war in der Nähe um den streikenden Außenborder checken zu lassen. Blauwasser-Segeln soll ja heißen an den schönsten Orten der Welt Reparaturen durchzuführen. Aber wie es denn so ist, sind gerade die benötigten Teile nicht an jedem Ort verfügbar. Deshalb wohl haben Segler einen Tüftlergeist und eine enorme Fähigkeit für Improvisation entwickelt.
So auch Elias, Jan Moritz und Jan: Mit Hilfe eines aufgetriebenen Rohrverbinders und etwas Workaround konnte der Gasherd wieder in Betrieb genommen werden. Gerettet!

Blue Lagoon, St. Vincent

26. Mai 2023

In der Zwischenzeit machten wir auch mal Landausflüge, z.B. in die nahegelegene, lebhafte Stadt Kingstown mit ihren vielen bunt gekleideten Menschen und Reggae an jeder Ecke – sogar in ein mehrstöckiges, leerstehendes „Open-Air Kaufhaus”, wo der Wochenmarkt stattfindet oder einzelne Läden zu finden sind. Wäre auch mal lustig ein Wochenmarkt mit Musik bei uns zu Hause… Allein schon die Fahrt mit den übervollen Sammeltaxis, begleitet von lauter Reggae-Musik, ist ein Erlebnis an sich. Und kein Fahrgast beschwert sich!

Der größte botanische Garten der Karibik in Kingstown ist dagegen eine Oase von Schönheit und Ruhe. Der acht ha große Garten wurde 1765 zwecks Herstellung von Medizin angelegt und ist immer noch in Betrieb. Auf dem Gelände des Gartens gibt es z.B. auch ein Erhaltungszuchtprogramm für die bedrohte Königsamazone. Diese auf St. Vincent endemisch vorkommende Amazonenart gehört zu den bedrohten Papageien.

Kingstown, St.Vincent


Ein Phänomen, was wir auf allen Inseln und beim Segeln beobachtet haben, sind teilweise sehr große Flächen von Sargassum-Algen. In kleinen Mengen gehören diese Algen, sog. Sargassum-Teppiche, zum Atlantischen Ozean. In diesen Dimensionen jedoch werden sie zu einem ernsten Problem:
Großflächig angespült strömen sie an den Ufern giftige Gase aus, stinken wie faule Eier und werden für viele Meerestiere zur Todesfalle. Zum Einen senken die Algen den Sauerstoffgehalt im Wasser und zum Anderen verheddern und ersticken viele Tiere oder finden den Weg nicht heraus.
In unserem Hotel trafen wir einen Wissenschaftler, der im Auftrag einer italienischen Uni am Strand Wasserproben entnahm. Er bestätigte, dass sehr bald große Algenteppiche erwartet werden, dass die Inseln der Karibik jedoch hilflos sind und keine Lösung dafür haben. Obwohl es viele Ansätze gibt, die Algen z.B. als Baumaterial und Dünger wirtschaftlich zu nutzen, ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn die Menschen werden mit den großen Mengen nicht fertig.
Außerdem ist die Ursache damit nicht behoben: Bis die Algen am Ufer angespült werden, verursachen sie schon große Schäden draußen auf dem Meer.
Als Ursache für die Ausbreitung des Sargassum nannte der italienische Meeresbiologe die großflächige Abholzung des Amazonas, wodurch der fruchtbare Boden ins Meer gespült wird und dort zu Überdüngung und Algenwachstum führt, zusätzlich gefördert durch die Erwärmung der Atmosphäre und der Meere.
Wie es inzwischen vielen bekannt sein dürfte, wird der Amazonas-Regenwald primär für den schieren Fleisch-, Holz- und Papierverbrauch der reichen Länder abgeholzt. Die Hauptursache für Klimakrise und Meereserwärmung gehen zum größten Teil auch auf reiche Länder zurück. Zuletzt stellt sich noch die Frage, wer also für den Schaden aufkommen sollte, mit dem die Menschen in der Karibik leben sollen. Was würden wir jemandem aus der Karibik antworten, der uns diese Frage stellt?

Massen an Sargassum-Algen, stinkend und bedrohlich für Meeres-Lebewesen

27. Mai 2023

Wie zur Belohnung für die Arbeit, wegen derer wir nach Kingstown gefahren waren, stellte sich heraus, dass „Young Island“ und „Blue Lagoon“ an Amelijas Ankerplatz tatsächlich zu den schönsten Ecken der Insel gehören. So besuchten wir am letzten Tag „Young Island“ gegenüber unseres Hotels, wo wir bereits hingeschwommen waren. Young Island ist eigentlich ein kleiner unbewohnter Fels, die Küste umsäumt mit Korallen und bunten Fischen. So schnorchelten wir in einer Melange von smaragdgrün bis türkisblauem Wasser und stiegen auf den Gipfel, um die Aussicht zu genießen. Oben angekommen sahen wir alte Kanonen, die landeinwärts gerichtet waren statt zum Meer hinaus gegen die Piraten. Der Grund: Ende des 18. Jahrhunderts, am Vorabend der Französischen Revolution, kam es zum Sklavenaufstand auf den Antillen. Die Kolonialmächte England und Frankreich hatten tatsächlich mehr Angst vor der Wut der „Sklaven“ als voreinander.

Young Island, St. Vincent

28. Mai 2023 (Pfingstmontag)

Am Morgen unseres Abreisetags nutzte Jan Moritz die Gelegenheit, um an der Pfingstmesse in einer Kirche in Kingstown teilzunehmen. Seiner Erzählung nach war die Begegnung mit den Menschen dort sehr berührend: Als Gast wurde er bei der Messe persönlich begrüßt und willkommen geheißen. Sicherlich ein Pfingsten, das er nicht vergessen wird.
Zwischenzeitlich wurde für Amelija proviantiert, Wind und Wetter waren segelbar. Kurz: Unserer Weiterfahrt auf die Grenadinen stand nichts mehr im Weg. Unser nächstes Ziel Port Elisabeth auf der Insel Bequia war in Sichtweite und nur etwa 10 sm entfernt.


29./30. Mai 2023 Bequia (gespr. Beck-way)

Die nächsten zwei Tage gehörten der größten Insel der Grenadinen: Bequia bedeutet in Sprache der Arawak „Insel der Wolken“ und wurde von ihren ersten Siedlern so genannt. Von unserem letzten Ort auf St. Vincent hatten wir schon die Insel gesehen, heute segelten wir hin und ankerten dort in der Admiralty Bay.
Eigentlich wollten wir noch etwas kulturelle Bildung einschieben und ein Walfänger-Museum besuchen. Wir hatten gelesen, dass Walfang hier zur Tradition gehörte und Bequia eine gewesen war. Ganz offiziell von der Internationalen Walfangkommission erlaubt darf Bequia heute noch vier Buckelwale pro Jahr erlegen, der Tradition wegen. Auch wollten wir die viel gerühmten Werkstätten für Modellschiffe sehen, für die Bequia berühmt ist.
Pech für uns, denn wegen Feiertag war alles geschlossen. Deshalb beschlossen wir einfach den „Belmont Walkway“ zu laufen, einen gepflasterten, schmalen Fußweg entlang der Küste. Gesäumt ist er von einladenden, gemütlichen Cafes und Restaurants unter großen Mandelbäumen. Wir liefen diesen Weg bis zum „Princess Margaret Beach“, wo uns ein schöner Sandstrand erwartete und ein Pfad die grünen Hügel hinaufführte. Unser Ausflug endete in einem Restaurant, wo wir zuvor schon Andi und Birte von SV Avalon gesehen hatten.

Belmont Walkway, Bequia

31. Mai / 1. Juni 2023 Canouan, Mahault Bay

Der Tag begann mit einer schweren Entscheidung für Elias: Haare ab? Ja oder nein? Nach langer Überlegung stand fest: Die Haare kommen ab. Bei vorherrschenden Temperaturen und Luftfeuchtigkeit eine pragmatische Entscheidung.

Wir beschlossen, den Besuch einer Aufzuchtstation für die bedrohte Meeresschildkrötenart Old Hegg Turtle auszulassen und dafür weiterzusegeln.
Die Insel Mystique, wo viele Weltstars den Winter verbringen, beschlossen wir aus Kosten- und Zeitgründen ebenfalls auszulassen und so segelten wir weiter nach Canouan.

Bei Dunkelheit angekommen, ankerten in der Mahault Bay, wo kurz zuvor schon SV Avalon eingetroffen war. Skipper Andi kontaktierte uns kurz vorher und wies uns per Lichtzeichen einen sicheren Ankerplatz in der kleinen Bucht. Ein gutes Gefühl, fellow Sailors in der Nähe zu haben.
Morgens wachten wir auf und sahen einen schönen, leeren Sandstrand, und nur Amelija und Avalon, die einzigen Boote weit und breit. Den Tag verbrachten wir mit Schnorcheln und Tauchen.

Andi von SV Avalon lotst uns nachts in diese wunderschöne einsame Bucht

Abends wollten wir ein Lagerfeuer machen und grillen. Wir versammelten uns am Sandstrand, wo wir ein Lagerfeuer machten mit Stockbrot, Rumpunsch und anderen Getränken. Der Vollmond erleuchtete das Meer, den Strand und verlieh dem Ort eine magische Atmosphäre.

Lange nachdem Andi und Birte uns verlassen hatten, stiegen wir in unser Dinghi um an Bord der Amelija zu kommen. Die hohen Wellen schwappten Wasser ins Beiboot und machten es schwierig vom Strand wegzukommen. Andi von unserem Buddy-Boat Avalon hatte sich schon Sorgen gemacht, weshalb wir so spät immer noch nicht an Bord der Amelija waren und überlegt, ob er uns mit seinem Dinghi und stärkerem Außenborder abholen sollte. Beruhigt, uns endlich an Bord zu
sehen, legte er sich schlafen… so wie wir von der Amelija.

Kein Herd? Kein Problem: Lagerfeuer mit Langusten, Stockbrot und Rum-Punsch bei Vollmond

2.-4. Juni 2023 Tobago Cays

Das Highlight des Segeltörns, die „Tobago Cays“. Eine unbewohnte Gruppe kleiner Koralleninseln mit immens großer mariner Artenvielfalt. Die grünen Meeresschildkröten, die immer wieder ihre Köpfe aus dem Wasser hoben, schwammen dicht an die Boote heran. Allein beim Schnorcheln waren viele von den großen Schildkröten zu sehen, die am Meeresboden grasten und anmutig durch das Wasser schwebten. Nirgendwo zuvor hatte ich so viele dieser magischen Tiere an einem Ort versammelt gesehen. Hinzu kamen große Rochen und bunte Fische. Wir tauchten immer wieder unter Wasser um mit den Tieren zu schwimmen und entdeckten auch mal große Hummer, die sich unter Steinen versteckten.

Tobago Cays, Paradies und Refugium für viele Meeres-Tiere

Am ersten Abend gab es ein Barbecue, das „Willy“ für Besucher der Tobago Cays organisiert. „Free Willy“, wie er sich nennt, wohnt auf der nahe gelegenen Union Island. Man kann bei ihm ein Barbecue auf der kleinen unbewohnten Insel „Petite Bateau“ buchen, mit gegrilltem Fisch, Gemüse, Reis, Kartoffeln und leckerem Bananenbrot. Was Willy nicht verstehen konnte war, dass wir die „Cays“ als Paradies bezeichnen. Für ihn gehören die Inseln zum Alltag.

Willy organisiert Barbecues auf “Petite Bateau” inkl. Abholdienst mit seinem bunten Dinghi und erzählt aus seinem Leben

In den nächsten Tagen fuhren wir mit unserem Beiboot immer wieder bis zum äußeren Riff, dem sog. „Horshoe Reef“. Dort begegneten wir bunten Schwärmen, Rochen und auch Haien, die friedlich den Boden nach Beute absuchten und nicht das geringste Interesse an uns zeigten. Die Begegnung bestätigte mich in der Annahme, dass diese wunderbaren Tiere zu unrecht gefürchtet werden. Denn sie sind nicht aggressiv, solange sie in Ruhe gelassen werden, wenn Menschen sich ruhig verhalten und respektvoll Abstand halten. Das gilt auch für andere Tiere, mit welchen wir lernen können unseren Lebensraum zu teilen und respektvoll miteinander umzugehen wie es z.B. die Amerikaner und Kanadier vorbildlich tun mit ihren Grizzlies, Schwarzbären und anderen Wildtieren.
Auch auf den Inseln selbst haben wir schöne Tiere entdeckt wie z.B. jede Menge Vögel, Insekten und Iguanas. Wie arm und einsam wäre der Mensch auf diesem Planeten ohne diese Artenvielfalt?

Tobago Cays von oben, unten rechts SV Amelija

Nicht viel später gesellten sich wieder unser Buddies Andi und Birte zu uns und wir ließen den Abend bei Fingerfood und Rumpunsch auf der „Avalon“ ausklingen.

5.-7. Juni 2023 Union Island

Auf Union Island bezogen Markus und ich wieder ein Hotel, mit Amelija davor in der Ankerbucht von Clifton. Hier machten wir Landausflüge ins Inland, wo wir aber nicht viel entdecken konnten. Clifton ist ein etwas größerer Ort mit einigen Geschäften, wo es auch mal größere Auswahl an Lebensmitteln gab, allerdings sehr teuer.

Straßen von Clifton, Union Island


Elias und Markus liehen sich von der Surfstation neben unserem Hotel SUP-Boards und paddelten in die Lagune von Ashton etwa 4 km entfernt. Ich nahm den Landweg und durchquerte einen schönen Naturlehrpfad entlang der Mangroven-Küste. Mangroven speichern fünf Mal mehr CO2 als Wälder und sind die Kinderstube vieler Wassertiere.

Von Ashton Lagoon zurück nach Clifton: Gegen den Strom ein Kraft-Akt

Am Treffpunkt machten wir ein Picknick, danach war ich dran mit Paddeln. Allein bei diesem kurzen Stück spürte ich die enorme Kraft der Strömung und war froh, als ich es bis zum Ufer der Frigate Island schaffte. Als wir dort die Felsen hochkletterten, sahen wir unten in der Lagune wieder ein bekanntes Boot, unseren Buddy „SV Avalon“ mit Andi und Birte an Bord.
Auch Jan Moritz hatte sich später auf den Weg gemacht um zur Frigate Island zu laufen, wo wir uns trafen.

Auf dem Gipfel, Frigate Island/Ashton Lagoon, Union Island. “Avalon” auch hier!


Zurück nach Clifton nahmen Jan Moritz und ich wieder den Landweg, Elias und Markus den Seeweg per SUP. Dieses Mal war der Weg gegen Wind und Welle aber wesentlich beschwerlicher und dauerte fast zwei Stunden. Angekommen am Ziel erfuhren wir, dass der Board-Verleiher i.d.R. die Leute in Ashley abholt, weil es viele nicht schaffen gegen den Strom zu paddeln. Elias und Markus aber schafften es und wurden mit eisgekühlten Getränken erwartet 🙂
Am nächsten Tag wollten wir ablegen auf die Insel Carriacou, wo Markus und ich die Fähre nach Grenada nehmen sollten – die Endstation unserer Karibikreise.

7./8. Juni 2023 Carriacou – Tyrell Bay

Nach unserer kurzen Überfahrt nach Carriacou ankerten wir in der großen Bucht Tyrell Bay, mit vielen Segelbooten um uns herum. Eins dieser Boote war „SV Pfadfinder“ aus Lübeck, eine Amel Kirk aus derselben guten Werft wie Amelija. Monika und Thomas hatten wir bereits auf La Gomera kennengelernt, kurz bevor sie den Atlantik überqueren wollten.
Angekommen in der Karibik, hatten sie vorgeschlagen, dass Amelija und Pfadfinder sich treffen und die Etappe von Grenada nach Trinidad gemeinsam segeln. Auf der Strecke soll es immer wieder Überfälle durch Piraten geben. Eine Flotille ist dann sicherer unterwegs als ein einzelnes Boot.
Während ich diese Zeilen schreibe, hat Amelija bereits sicher in Trinidad angelegt. „Pfadfinder“ dagegen hatte leider vorher schon Pech: Nachdem nachts die Leinen zur Boje durchscheuerten, waren sie an Land, dabei wurden Propeller und Ruder beschädigt. Zum Glück kam kein Mensch zu Schaden und bei einem stabilen Boot wie Amel es baut, blieb der Kiel unbeschadet. Das bestätigte die gute Wahl, die Elias, Jan Moritz und Jan beim Bootskauf getroffen hatten. Die beiden Pfadfinder bleiben erstmal auf Carriacou, bis sie ihr Ruder und die Schraube repariert haben.
Weiter in der nördlicheren Bucht verließen wir Eltern die „Amelija“, bezogen ein Zimmer und gingen abends noch „Boat-watching“ am nahe gelegenen Trockendock.
Am Tag darauf trafen wir uns mit Elias, Jan Moritz und wie zufällig wieder mit der Avalon-Crew bei der Immigration zum Einklarieren. Gerade noch rechtzeitig bekamen wir die Papiere ausgehändigt, denn kurz darauf legte unsere Fähre ab Richtung Hauptinsel Grenada. Hier spätestens mussten wir uns von Elias verabschieden – doch in unseren Herzen flammte noch die leise Hoffnung, uns auf Grenada nochmal sehen zu können.

Tyrell Bay, Carriacou


9.-13. Juni 2023 Grenada

Angekommen im Fährhafen von Georgetown in Grenada bezogen wir unsere letzte Unterkunft, dieses Mal am schönen Prickly Bay. Wie erwartet, war Jens mit seiner „Dilly-Dally“ bereits hier in der Ankerbucht. So wurde Markus, als er durch die Bucht schwimmen wollte, an Bord zum Kaffee eingeladen und wir verabredeten uns für den nächsten Tag an der Strandbar.
In der Zwischenzeit erkundeten wir die wunderschönen Wasserfälle von Grenada und konnten Elias ein paar Tipps geben sowie er uns zuvor in Martinique.

oben: St. George, Grenada. Unten links: Concord Waterfalls, rechts: Carmel Waterfalls

13. Juni 2023 Prickly Bay Grenada
Wie groß war die Freude, als wir erfuhren, dass Amelija unterwegs war und bald in der Prickly Bay anlegen würde! Zu unserer Verabredung an der Sand Bar brachte Jens noch mit: Basak Mireli und Ömer Özer aus Gökova/Türkei.
Basak ist die erste türkische Solo-Seglerin, die mit ihrem Boot „SV Istanbul“ über den Atlantik gesegelt ist – und ihre Reise fortsetzen will für eine Weltumsegelung.
Ihr Mann Ömer war in die Karibik geflogen und segelt mit ihr weiter. Und so trafen wir uns hier.

Ungeduldiges Warten auf Amelija am Prickly Bay, Grenada

So saßen wir da, stellten schon Stühle bereit und warteten auf die Ankunft von Amelija.
Wegen mangelndem Wind und überhitztem Motor zog sich die Etappe leider etwas hin, bis wir endlich Amelija in die Bucht segeln und Anker werfen sahen! So konnten wir Elias nochmal in die Arme schließen, unsere restlichen Lebensmittel spenden und nochmal zusammen einen schönen Abend verbringen bevor das Dinghi mit Elias und Jan Moritz unter dem Sternenhimmel Richtung Amelija ablegte.
Wie schon Monate zuvor am 11. Januar auf La Gomera, standen wir noch eine Weile am Strand und blickten hinterher …. voller Respekt für die großartige Leistung und den Mut dieser drei jungen Menschen, dankbar für ihre Geduld mit uns, dankbar dass wir Zeit mit Ihnen an Bord verbringen und Teil ihrer wundersamen Reise sein durften.

Danke an Skipper Elias, Jan und Jan Moritz und “SV Amelija”! Ein letzter Blick auf Prickly Bay mit Amelija vor Anker

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