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Eine Woche Atlantik

11.01.2023 – 18.01.2023

Auf unserer Überfahrt von den Kanaren zu den Kap Verden haben wir jeden Tag über das Satellitentelefon einen kleinen live Lagebericht geteilt. Um unsere Erfahrung auf dem ersten Teil der Atlantiküberquerung noch einmal zu lesen, haben wir die täglichen Texte hier chronologisch gesammelt. 

Die Amelija mit Crew kurz vor dem Ablegen von La Gomera

Auf zu den Kap Verden!

Wed Jan 11 2023

Heute Mittag gegen 12:30 Uhr ging es endlich los. Nach ein paar ereignisreichen Tagen der Vorbereitung – wir mussten beispielsweise noch spontan unsere Verbraucherbatterie und die elektrische Bilgenpumpe erneuern – legen wir in der Marina La Gomera ab. Beim Ablegen werden wir noch sehr freundlich von Elias Eltern und unseren Freunden Jan und Katja, die alle bisher zu Besuch waren, genauso wie von den Pfadfindern, einem anderen Segelboot, mit Tröte verabschiedet. Das war ein besonderer Moment. Denn nun sehen wir in wenigen Stunden nur noch Wasser um uns herum. Bis wir 800 sm später in etwa 7-8 Tagen auf den Kap Verden ankommen werden.
Der Wind ist zwar konstant, aber auch relativ stark angekündigt. Das ist allerdings nicht unbedingt von Nachteil, da wir vermuten, dass wir so größtenteils nur mit Genua segeln und so das Cockpit kaum verlassen müssen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn wir das Großsegel setzen, reffen und bergen.
Nun müssen wir allerdings erst einmal aus dem Windschatten von La Gomera und den anderen hohen kanarischen Inseln herauskommen, bis wir dann schließlich in den erwartete Passatwind kommen.

Tag 1: Raus aus dem Windschatten

Thu Jan 12 2023

Etmal (zurückgelegte Strecke in 24h): 120 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5 kn

Während im Jan gemütlich im Cockpit sitzt, wird im Hintergrund vorerst das letzte Stück Land - La Gomera - immer kleiner
Während Jan gemütlich im Cockpit sitzt, wird im Hintergrund vorerst das letzte Stück Land – La Gomera – immer kleiner

Die Überfahrt begann recht abwechslungsreich. Nachdem wir kurz nach dem Verlassen der Marina La Gomera die lokalen Wind nutzten um die ersten Meilen zu überwinden, starteten wir kurze Zeit später den Motor. Denn der Wind war weg.
Ein, zwei Stunden später spürten wir einen leichten Wind aus 90°. Wir motivierten uns alle Segel zu setzen, den Motor abzuschalten und den Windpiloten in Betrieb zu nehmen. Eine gute halbe Stunde später haben wir zwar alles eingerichtet, allerdings stirbt der Wind wieder ab und die Segel fangen an zu schlagen. Also alles wieder rückgängig und erst einmal wirklich aus den Windschatten herausmotoren.
Am Abend zwischen 9 und 10 Uhr frischte der Wind recht schnell auf, sodass wir endlich nur mit der Kraft des Windes Kurs auf die Kap Verden nehmen konnten. So kommen wir nur mit Genua, etwa 20 kn Wind mit guter Geschwindigkeit voran.

Ein Bild von dem abgestürzten Niedergang: Eine etwas in die Jahre gekommene Halterungslasche hatte ihren Geist aufgegeben. Dieses Problem war aber einfach mit Kabelbindern zu lösen.
Ein Bild von dem abgestürzten Niedergang: Eine etwas in die Jahre gekommene Halterungslasche hatte ihren Geist aufgegeben. Dieses Problem war aber einfach mit Kabelbindern zu lösen.

An das Leben auf See haben wir uns schnell wieder gewöhnt. Obwohl es sehr schaukelig ist, haben wir zum Glück noch keine Probleme mit Seekrankheit. Etwas chaotisch war es in der Nacht trotzdem: Die Treppe unseres Niedergangs ist abgestürzt, Moritz wurde einmal durch eine Welle geweckt, die in seinem Bett gelandet ist und nachdem ein Topf Bohnen durch die Pantry geflogen ist, war das Ei, das neben der Pfanne landete, gar nicht mehr so schlimm.

Tag 2: Entspanntes Atlantiksegeln

Fri Jan 13 2023

Etmal: 137 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,7 kn

An Tag zwei lief eigentlich alles so weiter wie schon an Tag eins. Wir haben Sonnenschein, 21°C und konstanten Nordostwind. Seitdem wir am Mittwoch die Genua gesetzt haben, haben wir an den Segeln nichts mehr verändert. Wir segeln weiterhin nur unter Genua auf einem tiefen Raumwindkurs und surfen dabei die mittlerweile 2-3 m hohen Atlantikwellen herunter. Ab und zu schwappt schon einmal eine Welle ins Cockpit, weshalb wir uns immer genau überlegen in welche Ecke vom Cockpit wir uns hinsetzen.
Leider arbeitet der Windpilot noch nicht ganz optimal, sodass wir diesen während unserer Schichten konstant überwachen und teilweise eingreifen müssen, wenn eine höhere Welle die Amelija vom Kurs abbringt.

Tag 3: Arnold steuert

Sat Jan 14 2023

Etmal: 139 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,8 kn

Auch der dritte Tag lief sehr ähnlich wie die Tage zuvor ab. Mittlerweile haben wir uns richtig an das Bordleben auf See gewöhnt. Wie auch schon bei Nachtfahrten im Mittelmeer, haben wir nachts drei Schichten mit jeweils 4 Stunden Länge. So können zumindest zwei von uns 8 Stunden am Stück durchschlafen. Damit die Schichten rotieren, haben wir tagsüber 4 Schichten mit jeweils 3 Stunden. Das läuft sehr gut. Und nach dem dritten Tag fängt nun alles wieder von vorne an.

Als heute Morgen alle wach waren, haben wir uns dann nochmal dem Windpiloten zugewandt. Das Pendelruder am Heck ist nämlich – vermutlich durch Treibgut – hochgeklappt. Wir stellten also alles wieder ordnungsgemäß ein, sodass der Windpilot deutlich besser als zuvor funktioniert. Nun haben wir „nur“ noch Kursschwankungen von ca. 30°. Damit können wir das Steuer auch für einen längeren Zeitraum verlassen, ohne dass ein zu starkes Anluven oder eine Patenthalse droht. Das entlastet uns sehr und macht die Fahrt angenehmer. Wir tauften unseren Windpiloten schließlich auf den Namen „Arnold“. Arnold steuert jetzt zwar selbstständig, allerdings ist der Kurs nicht ganz optimal. Deswegen werden wir auf jeden Fall noch eine Halse fahren müssen, doch das nehmen wir gerne in Kauf, wenn wir dank Arnold in unseren Schichten entspannt sitzen bleiben können.

Am Vormittag gab es mitten auf dem Atlantik leckere Pfannkuchen zum Frühstück!

Tag 4: Halbzeit

Sun Jan 15 2023

Etmal: 130 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,4 kn

Seit gestern Abend haben wir die Hälfte der Strecke hinter uns und sind nun näher an den Kap Verden als an den Kanaren.
Da der Wind gestern Nachmittag nachließ, setzten wir den Besan. Das hatte den sehr erfreulichen Nebeneffekt, dass die Amelija deutlich ruhiger vor sich hin lief und alles direkt angenehmer wurde. Dadurch und durch unseren mittlerweile ganz gut funktionierenden Windpiloten, konnten wir uns in den Nachtschichten im Sitzsack entspannen und den fantastischen Sternenhimmel genießen. Beim Sonnenuntergang hatten wir schon wieder Begleitung durch einige Delfine.
In der Nacht drehte der Wind etwas nördlicher, sodass unser Kurs immer schlechter wurde. Deshalb fuhren wir nachts eine Halse, um weiter raus in den besseren Wind zu fahren.
Um gestärkt in den Tag zu starten, buk Jan Moritz zum Frühstück Pfannkuchen – ein wahres Highlight und bei dem Seegang gar nicht so einfach!

Da wir ein Vorsegel aus der Backskiste brauchten, dieses allerdings ganz unten drunter verstaut war, musste Elias die gesamte Backskiste ausräumen. Ganz schön viel Krempel!

Am Vormittag wollten wir testen, wie gut unser Windpilot Arnold einen Vorwindkurs steuern kann. Der Vorwindkurs würde uns außerdem auf direktem Weg nach Mindelo bringen.
Wir bargen also das Besansegel, setzten das Groß, legten einen Bullenstander und baumten die Genua aus. Eigentlich wäre so alles perfekt, doch leider steuert Arnold nicht zuverlässig genug. Wir müssen ihn also entweder wieder konstant überwachen und kurzfristig eingreifen oder alles rückgängig machen und jetzt wieder auf einen Raumwindkurs mit Genua und Besan wechseln.
Leider brach heute morgen die Halterung von einem unserer Solarmodule, sodass es jetzt erstmal im Salon zwischengelagert wird. Zum Glück kommen wir mit unserer neuen Batterie und dem anderen Solarpaneel auch bis Mindelo aus und können uns dort um die Reparatur kümmern.

Tag 5: Jan fliegt aus der Koje

Mon Jan 16 2023

Etmal: 147 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,1 kn
verbleibende Strecke: 200 sm

Am Tag fünf ist nicht weiter viel passiert. Nachdem wir den Windpiloten auf dem Vorwindkurs ausprobiert hatten und er uns leider nicht zuverlässig genug steuerte, wechselten wir wieder auf den Raumwindkurs und damit auch die Besegelung von Butterfly auf volles Tuch an Steuerbord. Bei etwa 15 kn Wind ging es dann mit 6-7 kn Fahrt fast auf direktem Kurs zu den Kap Verden.

Eine unserer sehr wenigen Schiffsbegegnungen auf der einwöchigen Überfahrt
Eine unserer sehr wenigen Schiffsbegegnungen auf der einwöchigen Überfahrt

In der Nacht frischte der Wind noch etwas auf, weshalb wir bei Schichtwechsel um 5 Uhr das Großsegel bargen und mit dem vorhergesagten Winddreher auch endlich den Kurs verbessern konnten.

Seit gestern sehen wir auch vermehrt Vögel und vor allem auch fliegende Fische. Sie springen aus dem Wasser und fliegen flach über der Meeresoberfläche, bevor sie ein paar Dutzend Meter später wieder eintauchen. Leider sind auch ein paar dieser 10-20 cm langen Fische auch auf unserem Deck gelandet.

Während außerhalb des Bootes vermehrt Vögel und fliegende Fische umher fliegen, fliegt bei uns an Bord Jan aus seiner Koje. Deshalb schläft er vorerst im Salon mit Leesegel.

Tag 6: Endspurt

Tue Jan 17 2023

Etmal: 126 sm
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,3 kn

Am 6. Tag auf See ist wieder nichts Besonderes passiert. Wir freuen uns aktuell um jede Meile, die wir Mindelo auf den Kap Verden näher kommen.
Um den optimalen Weg zu nehmen, laden wir regelmäßig über unser Satellitentelefon die neusten Wetterdaten herunter. Seit heute Morgen fahren wir deshalb wieder Butterfly auf Vorwindkurs.
Mit guter Geschwindigkeit von 6-7 kn kommen wir so nun auf direktem Zielkurs voran. Aktuell (17:00 UTC) sind es noch 50 sm bis zum Ziel. Somit sollten wir heute Nacht nach knapp einer Woche endlich unseren Anker schmeißen können.

Am letzten Abend setzt Elias die Kap Verdische Gastlandflagge und die Flagge Q (Zeichen, dass man noch nicht einklariert hat)

Angekommen auf den Kap Verden!

Wed Jan 18 2023

Nach einer spannenden Einfahrt in die Bucht vor Mindelo zwischen einigen ankernden Schiffen hindurch bei bis zu 30 kn Wind, haben wir gestern um kurz nach 0 Uhr Ortszeit endlich den Anker geschmissen.

Was für ein Moment nach 886 gesegelten Seemeilen in 6 Tagen und 12h in Mindelo auf den Kap Verden anzukommen.

Obwohl wir gerade zu Beginn mit dem Geschaukel zu kämpfen hatten und uns erst in den Bordalltag auf See einleben mussten, hatten wir eine tolle Überfahrt mit hervorragenden Bedingungen, immer achterliche Winde mit 15 – 25 kn, Sonnenschein und einer für uns erfreulichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,7 kn.

Unsere Ankerbucht vor Mindelo
Unsere Ankerbucht vor Mindelo

Wir waren unsere bisher längste Zeit, fast eine Woche, ununterbrochen auf See und auch erstmals sehr weit vom nächsten Land entfernt. So haben wir nochmal einen ganz neuen Aspekt des Langfahrtsegelns kennengelernt. 

Über die beständigen Winde in der Passatzone haben wir uns sehr gefreut und noch mehr über die daraus resultierenden Geschwindigkeiten. Das leider genauso beständige Schaukeln war allerdings oft sehr anstrengend und hat jegliche Arbeiten erschwert und die Motivation gehemmt. 

Trotzdem freuen wir uns sehr auf die bevorstehende Überquerung und fühlen uns gut vorbereitet! 

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Anke und Martin

    Hallo ihr 3! Erst jetzt habe ich eure website entdeckt und etwas gestöbert. Sehr erfrischend zu lesen! Einiges kommt uns doch irgendwie bekannt vor! 😉 Wir wünschen euch schöne Erlebnisse auf den Kapverden, eine tolle weitere Überfahrt über den Atlantik und eine gute Ankunft auf der anderen Seite des großen Teichs! Nächste Saison werden wir euch folgen! Liebe Grüße von Anke und Martin, SY Mago del Sur

    1. Jan Moritz

      Hallo Anke und Martin, schön von Euch zu hören. Uns hat die Reise bis in die Karibik mit ihren abwechslungsreichen Etappen und verschiedenen Orten sehr viel Spaß gemacht. Nun genießen wir die Karibik. Wir wünschen Euch eine gute Reise mit der Mago del Sur!

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